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    26. November 2007

    Offener Brief an den Vorsitzenden der CDU-Fraktion Niedersachsen David McAllister

    Offener Brief

    Sehr geehrter Herr McAllister, sehr geehrter Herr Kollege,

    mit Interesse habe ich festgestellt, dass Sie mich in der Plenarsitzung des niedersächsischen Landtags am 16. November 2007 ausführlich erwähnt haben. In einem zusätzlichen Beitrag an auffälliger Stelle - gegen Ende des letzten Tagesordnungspunktes - haben Sie ein ausführliches Zitat aus meinem Buch „Schicksal Schule“ vorgetragen. Es hat mich sehr gefreut, dass ich auf diese Weise auch schon in der derzeitigen Legislaturperiode im Landtag zu Wort gekommen bin.

    Nur eine Kleinigkeit war nicht korrekt. Das Buch stammt nicht aus dem Jahr 2007, sondern erschien schon Ende 2006. Aber das ändert nichts an der Aussage. Im Gegensatz zu den Positionen einiger Politiker gilt meine Feststellung aus 2006 auch noch im Jahr 2007 und darüber hinaus. Wobei es im Übrigen durchaus ehrenwert und nicht zu tadeln ist, wenn jemand seine Auffassungen angesichts besserer Erkenntnis korrigiert. Bei Politikern ist es sogar ein Qualitätsmerkmal, wie schnell sie zu den besseren Erkenntnissen gelangen.

    In diesem Sinne hat mich Ihre - ironisch umgekehrte - Unterstellung irritiert, dass der vorgetragene Sachverhalt Herrn Jüttner möglicherweise das Wochenende trüben könne. Dafür sehe ich keinerlei Grund, ganz im Gegenteil. Es ging doch um meine Feststellung, dass die SPD in Nordrhein-Westfalen vor 30 Jahren mit dem Versuch gescheitert ist, die Gesamtschule flächendeckend einzuführen.

    Es ist hier nicht der Ort, die näheren Umstände dabei zu untersuchen. Ein wesentlicher Grund für das Scheitern der damaligen Bemühungen lag aber zweifellos darin, dass in der breiten Öffentlichkeit die Vorstellung von der hervorragenden Qualität der deutschen Schule, insbesondere des deutschen Gymnasiums, vorherrschte. Diese Vorstellung war freilich damals schon falsch.

    In der Zwischenzeit hat sich nun die Kenntnis von den beträchtlichen Mängeln des deutschen Schulsystems, insbesondere fokussiert auf die Hauptschulen, allgemein durchgesetzt. Diese Erkenntnis, die sich in den vielfältigen Klagen über die mangelnden Kenntnisse der Schüler bereits äußerte, ist besonders durch die internationalen Schulvergleichsstudien der letzten zehn Jahre entscheidend gefördert worden. Ein wichtiger Grund für diese Mängel ist die selektierende Vielgliedrigkeit des deutschen Schulwesens. Auch diese Erkenntnis ist inzwischen nicht nur von Fachleuten anerkannt, sondern auch bei weiten Teilen der Bevölkerung angekommen.

    Sie findet ihren massivsten Niederschlag im Schulwahlverhalten der Eltern, die völlig zu Recht unterstellen, dass die Nachteile der Gliedrigkeit im Gymnasium am geringsten und die Chancen für die Schüler dort am höchsten sind, wenn man die integrierten Schulformen mal außen vor lässt. Vor diesem Hintergrund erklären sich die Schülerentwicklungen der letzten Jahre einschließlich der steigenden Nachfrage nach der Gesamtschule, die speziell in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen durch repressive politische Vorgaben von CDU und FDP abgeblockt wird.

    CDU und FDP haben immer noch nicht begriffen, dass die Umstände sich in den letzten 30 Jahren verändert haben, und versuchen verzweifelt schulpolitische Korrekturen an Entwicklungen, die durchaus sinnvoll und so auch nicht zu stoppen sind. Die SPD zieht demgegenüber aus den gesellschaftlichen Entwicklungen und den Bedürfnissen der Eltern und Kinder die politischen Schlussfolgerungen für eine zeitgemäße Reform des Schulwesens.

    Und ganz im Gegenteil zu den verleumderischen Behauptungen der ideologischen Anhänger der Dreigliedrigkeit achtet die niedersächsische SPD dabei den Willen der Eltern, während CDU und FDP ihn massiv behindern, wo er ihren Vorstellungen zuwider ist.

    Mit freundlichen Grüßen

    Renate Hendricks MdL