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    21. Februar 2008

    Verkürzte Schulzeit an den Bonner Gymnasien - Landesregierung muss Fehler korrigieren - Bulimie-Lernen bleibt ohne Erfolg

    Rasch hat die Landesregierung NRW das Konzept für das 8-jährige Turbo-Gymnasium, kurz G8 genannt, zusammen gezimmert, ohne dabei die Auswirkungen für die Schüler und Schülerinnen und für die Schulträger zu bedenken. Davon sind in Bonn 19 Gymnasien betroffen. Mehr und mehr spüren die Eltern den Druck und melden sich bei der Politik, weiß die Bonner Landtagsabgeordnete Renate Hendricks (SPD) zu berichten. Sie wollen, dass die Politik eine andere Lösung für die Verkürzung der Schulzeit findet. Diese Verkürzung ist nicht aus pädagogischen Erwägungen auf den Weg gebracht worden, sondern auf den Druck der Wirtschaft hin.

    „Das G8 ist keine Halbtagsschule mehr, aber erst recht keine vernünftige Ganztagsschule“, meint Hendricks. „Nach sieben Stunden Unterricht müssen die Schüler zu Hause noch Hausaufgaben machen. Ein Mittagessen bekommen sie in der Schule nur an wenigen Standorten in Bonn. An vielen Tagen ist Nachmittagsunterricht nicht zu vermeiden. Zurzeit profitieren die beiden Ganztagsgymnasien in Bonn von ihrer anderen Organisationsform. Aber mehr Ganztagsgymnasien soll es nach dem Willen der Regierung vorerst nicht geben. Das heißt, zu viele Schüler/innen müssen sich rasch in der Umgebung der Schule mit einem Mittagessen versorgen oder eben ganz darauf verzichten. Da gibt es dann Pommes oder Hamburger. Vereinzelt treten Eltern dem Missstand durch Initiativen entgegen. Sie organisieren Mittagessen in der Schule.“ Die Stadt Bonn versucht, aus eigenen Mitteln zu helfen.

    Für viele Schüler und Schülerinnen geht es im Unterricht zu schnell, zuviel Stoff in zu wenig Zeit. Um das Versäumte oder nicht Verstandene vom Vormittag nachzuholen, brauchen die Schüler/innen häufig Nachhilfe. Die Nachhilfeinstitute boomen. Die Eltern müssen die Zeche bezahlen, die die Landesregierung angerichtet hat. Das Ganze soll zudem auch unter dem Vorzeichen der individuellen Förderung stattfinden. Hier führt sich die Landesregierung selber ad absurdum. Es ist davon auszugehen, dass zu viele Schüler und Schülerinnen unter dem Leistungsdruck auf der Strecke bleiben, Biografien beschädigt werden und Lernbereitschaft und Freude verloren gehen. „Von dieser Reform profitieren vornehmlich die Nachhilfeinstitute“, zeigt sich Hendricks verärgert.

    Alle Erkenntnisse über Leistungsfähigkeit und Leistungskurven, Schülergesundheit und Biorhythmus sind bei dieser Reform außen vor geblieben. Wieder einmal wird vergessen, dass Schüler und Schülerinnen Zeit zum Lernen benötigen und es nicht darauf ankommt, ihnen einfach Lernstoff vorzusetzen. „Das führt zu Bulimie-Lernen mit schnellem Vergessen und zu Bildungs-Magersucht“, äußert sich Hendricks.

    Die Eltern beklagen weiterhin die zeitliche Überlastung der Schüler. Es fallen noch täglich mindestens zwei Stunden Hausaufgaben an. Oft ist auch das Wochenende zu nutzen, weil auf anstehende Schulaufgaben gepaukt werden muss.

    „Wir dürfen diese Generation nicht zum Opfer einer verfehlten Schulpolitik machen“, warnt Hendricks. Die Warnungen der Eltern und der Lehrer/innen sollten von der Landesregierung ernst genommen werden. „Die Opposition im Landtag ist an einer Lösung interessiert, die die Leistungsfähigkeit der Schüler und Schülerinnen fördert und erhält“, so Hendricks.

    Bei diesen Diskussionen tritt derzeit ein ganz anderes Problem des G8 in den Hintergrund: Der gemeinsame Abschluss des ersten 8-jährigen und des letzten 9-jährigen Jahrgangs im Jahr 2013 rückt näher. Immer noch nicht ist klar, wir der doppelte Abiturjahrgang auf dem Arbeitsmarkt und an den Hochschulen mit ausreichenden Plätzen versorgt werden kann. Tatsächlich sind schon jetzt die Kapazitäten beispielsweise an der Uni Bonn in vielen Studiengängen erheblich geringer als der Bedarf, so dass viele Studenten abgewiesen werden müssen.