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    23. Juni 2009

    Warum hält die Landesregierung an einem nicht rechtskonformen Anmeldeverfahren an den Bekenntnisschulen fest?

    Die Landesregierung kündigte in zwei Schreiben an den Abgeordneten Heinz Sahnen im Dezember 2008 und an mich im Februar 2009 an, die AO- GS in Bezug auf die Aufnahmeregelung an Bekenntnisschulen durch einen "deklamatorischen Zusatz" zu ergänzen. Dadurch solle eine größere Rechtssicherheit bei der Aufnahme in eine Bekenntnisschule hergestellt werden, die in letzter Zeit durch Gerichtsverfahren und Elternproteste in die Diskussion geraten ist.

    Hintergrund der Schreiben war ein Urteil, in dem das Verwaltungsgericht Düsseldorf der Klage von Eltern eines nicht- katholischen Schülers auf Anfechtung des Ablehnungsbescheids zur Aufnahme in eine katholische Bekenntnisschule stattgegeben hat.

    Die Landesregierung vertritt in ihren Schreiben die Rechtsauffassung, dass "Bekenntniskindern" ein eindeutiger Vorrang an Bekenntnisgrundschulen zu gewähren ist, unabhängig von der Wohnortnähe. Sie führt dazu aus: "Da Unterricht und Erziehung in Bekenntnisschulen von den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses geprägt sind, sind diese Schulen für Kinder dieses Bekenntnisses eingerichtet. Aus diesem Grundsatz folgt", so die Landesregierung, "dass einen Anspruch auf Aufnahme zunächst nur diejenigen Kinder haben, die dem jeweiligen Bekenntnis angehören."

    Die in den genannten Schreiben an die Abgeordneten angekündigte Ergänzung der AO- GS ist bis heute nicht erfolgt. Gleichwohl hat das Ministerium mit Schreiben vom Februar 2009 alle Bezirksregierungen aufgefordert, die Schulämter Ihres Bezirks über die Rechtsauffassung der Landesregierung zu unterrichten mit dem Ziel, "bis zu einer redaktionellen Klarstellung in der AO- GS auf eine entsprechende Verfahrensweise nach Nr. 1.23 VV zu §1 AO- GS hinzuwirken."

    Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte in seinem Urteil vom 8. April 2008 dagegen ebenso eindeutig wie nachvollziehbar festgestellt, dass die Verwaltungsvorschriften Nr. 1.23 zu § 1 Abs. 2 AO- GS zur Aufnahme in Bekenntnisschulen den Vorgaben der AO- GS "widersprechen und ihre Anwendung daher rechtswidrig ist." Es führt dazu aus, diese Verwaltungsvorschriften seien "nicht maßgeblich und rechtlich ohne Bedeutung, weil eine Verwaltungsvorschrift gegenüber der aufgrund der Ermächtigungsgrundlage des § 52 SchulG NRW erlassenen Verordnung über den Bildungsgang rechtlich nachrangig." In § 1 Abs. 3 Satz 4 AO- GS seien die Aufnahmekriterien aber abschließend genannt und der behauptete Vorrang der bekenntnisangehörigen Kinder eben nicht aufgeführt.
    Ergänzend ist zu bemerken, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf aus formalen Gründen (weil der Kläger nämlich zwischenzeitlich klaglos gestellt wurde) im August 2008 vom Oberverwaltungsgericht für "wirkungslos" erklärt wurde. Damit wird die Argumentation des Verwaltungsgerichts jedoch in keiner Weise falsch oder in Frage gestellt noch hat das Oberverwaltungsgericht solches festgestellt.

    Auch brauchte das Verwaltungsgericht unter den aktuellen Bedingungen logischerweise gar nicht zu klären, ob ein entsprechender Zusatz zu § 1 AO- GS, wonach bekenntnisangehörigen Kinder bei der Anmeldung an Bekenntnisschulen der Vorrang zu gewähren sei, selber wieder rechtskonform wäre.

    Tatsächlich dürfte auch dies nicht der Fall sein, wie die Landesregierung in ihren Schreiben an die Abgeordneten selber unbewusst nahe legt:

    Nach dem oben bereits dargelegten Anspruch zur Aufnahme an Bekenntnisschulen "zunächst nur" für Kinder des jeweiligen Bekenntnisses fährt sie nämlich fort: "Aus Gründen des Artikel 4 Grundgesetz sind diesen Kinder solche gleichzustellen, die ausdrücklich Unterricht und Erziehung in dem Bekenntnis wünschen." Unmittelbar anschließend und dem widersprechend behauptet sie dann: "Der Grundsatz des Vorrangs der bekenntnisangehörigen Kinder vor den bekenntnisfremden Kindern ergibt sich daher aus Verfassungsrecht und Schulgesetz …" Ein solcher Vorrang ergibt sich nach Artikel 4 GG eben nicht und ist konsequenter Weise auch weder in § 46 SchulG noch in § 1 Abs. 2 und 3 der AO- GS vorgesehen.

    Diese Argumentationskette macht deutlich, dass die Landesregierung in keiner Weise mehr logisch argumentiert und mit ihren Anweisungen mehr als dünnes Eis betritt. Richtig ist, dass der verfassungsmäßige Grundsatz aus Artikel 4 GG bisher zu keiner anderen Aufnahmepraxis in den Schulen führen konnte. Dies ist auch weitestgehend von der Öffentlichkeit akzeptiert.

    Kann man die vorstehend beschriebenen Schreiben und Vorgänge noch quasi als "Verwaltungshandeln" bezeichnen, so wurde das Thema durch meine Kleine Anfrage Nr. 3280 vom 18. März 2009 und die Antwort der Landesregierung vom 22. April 2009 auch in die parlamentarische Diskussion eingebracht.

    In ihrer Antwort legt die Landesregierung ihre Positionen bemerkenswert zurückhaltend und allgemein, teils auch ausweichend dar; in der entscheidenden Frage nach den Entscheidungsmöglichkeiten der Schulleiter bei der Aufnahme an den Konfessionsschulen führt sie dann jedoch schließlich kommentarlos und uneingeschränkt jene Verwaltungsvorschrift 1.23 zu § 1 AOGS an, die das Verwaltungsgericht Düsseldorf bereits ein Jahr zuvor als rechtswidrig erkannt hatte. Hier stellt sich die Frage, ob diese Antwort als ausreichend und korrekt angesehen werden kann.
    Der Wunsch der Landesregierung, das Aufnahmeverfahren an Bekenntnisschulen zu verschärfen, ist von der Bezirksregierung Köln mit einem entsprechenden Schreiben an das Bonner Schulamt umgesetzt worden, welches wiederum auf ein laufendes bzw. abgeschlossenes Anmeldeverfahren an den Grundschulen in Bonn eingewirkt hat. Im Ergebnis wurde eine nennenswerte Anzahl von Kindern nicht mehr an der gewünschten Schule aufgenommen.

    Nach einem Bürgerantrag an den Schulausschuss der Stadt Bonn mit der Forderung nach einer flexiblen, toleranten und wohnortnahen Aufnahmepraxis an den Konfessionsschulen wurde weitgehendes Unverständnis für die von der Landesregierung forcierte Praxis quer über alle Fraktionen deutlich. Presse und Fernsehen haben das Thema aufgegriffen und eine breite Leserdiskussion entfacht.

    Der Brief des Schulministeriums an die Bezirksregierungen wird in der Öffentlichkeit als nicht "zeitgemäß" empfunden. Die katholische Kirche verwehrte sich mittlerweile in einer Pressemitteilungen gegen die vehemente Kritik gegenüber dieser Aufnahmeregelung und verweist auf die Zuständigkeit der Schulgesetzgebung. Die betroffene Beethovenschule in Bonn will sich dazu nicht äußern, das Schulamt habe ihr davon abgeraten, heißt es. Das Schulamt der Stadt verweist auf die Bezirksregierung. Die wiederum sagt, das Schulrecht Sache des Schulministeriums in Düsseldorf sei. Dieses beruft sich auf die Verfassung, die freilich ganz anderes aussagt.

    Der katholische Bonner Stadtdechant, Wilfried Schumacher, regt angesichts der heftigen Diskussion eine Überprüfung der Aufnahmepraxis an katholischen Grundschulen sowohl auf Bistumsebene als auch landesweit an.

    Vor diesem Hintergrund werde ich mich in der Fragestunde der Plenarsitzung am 24. Juni 2009 mit folgender Fragestellung an die Landesregierung wenden:

    "Wie begründet die Landesregierung rechtlich auf nachvollziehbare Weise die bereits zuvor vom Verwaltungsgericht Düsseldorf als eindeutig rechtswidrig beurteilte Anweisung an die Bezirksregierungen, die Aufnahmepraxis an den Bekenntnisschulen im Sinne des Vorrangs für bekenntnisangehörige Kinder gemäß der Verwaltungsvorschrift 1.23 zu § 1 AOGS auszurichten und damit faktisch zu verschärfen?"