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    13. August 2007

    „Schulen sollen die Zahl der Sitzenbleiber deutlich reduzieren“ oder „Ehrenrunde drehen ist nicht schlimm“ – welche Aussage gilt für NRW?

    LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
    14. Wahlperiode
    Drucksache 14/5082
    19.09.2007

    Antwort
    der Landesregierung
    auf die Kleine Anfrage 1810
    der Abgeordneten Renate Hendricks SPD
    Drucksache 14/4841

    „Schulen sollen die Zahl der Sitzenbleiber deutlich reduzieren“ oder „Ehrenrunde drehen ist nicht schlimm“ – welche Aussage gilt für NRW?

    Wortlaut der Kleinen Anfrage 1810 vom 7. August 2007:

    Im August wurde seitens der Schulministerin eine Offensive zur Reduzierung der Sitzenbleiber in NRW angekündigt. „60.000 Sitzenbleiber im Jahr sind zu viel", erklärte die NRWSchulministerin am 03.08.2007. Auch „sei Sitzenbleiben ein wenig effizientes Instrument“, so die Ausführungen der Schulministerin.

    Neben dieser für das neue Schuljahr angekündigten Zielsetzung, findet sich auf der Homepage des Schulministeriums jedoch auch folgende Aussagen zur Thematik Sitzenbleiben: „Peer Steinbrück ist es passiert. Und auch Edmund Stoiber. Selbst einer der wichtigsten Chemiker des 19. Jahrhunderts, Justus Liebig, ist an dieser Stelle zu nennen. Sie alle haben eine "Ehrenrunde" gedreht. Wer heutzutage nicht versetzt wird, befindet sich also in prominenter Gesellschaft. Das mag die beruhigen, die Sitzenbleiben für einen Weltuntergang halten. Das ist es zwar nicht- erfolgreiche individuelle Förderung sieht aber anders aus. Dann hätte auch aus Harald Schmidt noch was werden können, der die 12. Klasse wiederholen musste. So kann er seine Brötchen lediglich als Late-Night-Talker im Fernsehen verdienen. Ähnlich wie Kollege Johannes B. Kerner. Auch der blieb einmal sitzen- und zwar in der 8. Klasse. Und was war schuld? Die Naturwissenschaften. Weitere berühmte Sitzenbleiber: Komponist Richard Wagner, Dichter Gerhard Hauptmann- sogar Reichskanzler Otto von Bismarck machte eine Ehrenrunde. Alles kluge Köpfe. Für einige weniger überraschend ist wohl, dass auch Verona Pooth keine Einser-Schülerin war. Besser bekannt ist die Dame als geborene Feldbusch. Nach einigen Schulwechseln ging sie schließlich einfach ab, ohne Abschluss. Einer Karriere im Show-Business stand das allerdings nicht im Wege“

    Daher frage ich die Landesregierung:
    „Schulen sollen die Zahl der Sitzenbleiber deutlich reduzieren“ oder „Ehrenrunde drehen ist nicht schlimm“ – welche Aussage gilt für NRW?

    Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung vom 17. September 2007 namens der Landesregierung:

    Zur Frage

    Sitzenbleiben stellt häufig eine ineffiziente Maßnahme gegen schulisches Leistungsversagen dar - zumal wenn die Defizite nur in wenigen Fächern auftreten. Klassenwiederholungen tragen zudem stark zur Verzögerung der Schullaufbahn deutscher Schülerinnen und Schüler gegenüber der Mehrzahl der OECD-Länder bei. Die als Fördermaßnahme gemeinte Wiederholung ist häufig nur wenig erfolgreich. Ein zweiter Durchgang, in dem das Gleiche noch einmal gelernt werden soll, wirkt oftmals nicht als Förderung bzw. Unterstützung bei der Überwindung der bestehenden Lernprobleme.

    Ein Schwerpunkt der Maßnahmen zur individuellen Förderung soll daher auf die Reduzierung der Sitzenbleiberquote gelegt werden. Sitzenbleiben wird aber nicht per Vorschrift abgeschafft, denn im Einzelfall kann eine Wiederholung durchaus sinnvoll sein. Das Instrument „Sitzenbleiben” bleibt allerdings ultima ratio.

    Der auf der Homepage des Ministeriums für Schule und Weiterbildung veröffentlichte Artikel „Auch Prominente drehen Ehrenrunden“ (und nicht wie behauptet "Ehrenrunden drehen ist nicht schlimm") widerspricht dieser schulpolitischen Zielsetzung keineswegs. Im Text wird zum Thema Sitzenbleiben ausdrücklich festgehalten: "Erfolgreiche individuelle Förderung sieht (…) anders aus." Die Nennung von Beispielen prominenter Sitzenbleiber kann aber helfen, mögliche Konflikte zwischen betroffenen Kindern und ihren Eltern zu entspannen. Das Schulministerium will Kinder motivieren, sich auch nach Misserfolgen in der Schule zu engagieren.