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    20. Dezember 2007

    Kopfnoten

    Schulen lehnen Kopfnoten ab: Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion
    der SPD/ Drucksache 14/5835 und

    Kritik an Kopfnoten ernst nehmen: Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN/ Drucksache 14/5836

    in der Sitzung des Landtags am 20.12.2007

    - es gilt das gesprochene Wort -

    Anrede,

    ich kann Ihnen freundliche Anerkennung aus der ehemaligen DDR aussprechen: Bis zur Wende gab es auf den Zeugnissen der DDR vier Kopfnoten, die in einer Gesamtnote, einer fünften Note zusammengefasst wurden.

    Diese Kopfnoten wurden nach der Wende abgeschafft, weil sie zu stark und gezielt zur Stigmatisierung einzelner Schüler und Schülerinnen beitrugen. Und nicht zuletzt, weil der Staat sich hier eine Persönlichkeitsbeurteilung angemaßt hat, die nach unserer Auffassung mehr als zweifelhaft ist. Aber Sie können es besser: Bei Ihnen sind es gleich sechs Noten.

    Der Vorsitzende des Philologenverbandes führt aus, dass man durchaus die Schüler am Gymnasium mit einer Zwei als Einheitsnote beurteilen könne, weil dort die Schüler und Schülerinnen meist diszipliniert seien. Mit dieser Formulierung wird nur zu deutlich, zu welcher Stigmatisierung gerade von Haupt- und Realschüler/innen die Kopfnoten führen können. Denn in diesen Schulformen werden die Kopfnoten vielfach in ihrer vollen Varianz angewendet. Dort werden Kopfnoten in der Tat als Disziplinierungsmöglichkeit verstanden.

    Kopfnoten fehlt noch mehr als anderen Noten eine objektive Bemessungsgrundlage. Deshalb werden sie oft im Pi-mal-Daumen-Verfahren vergeben. Gewünscht wurden und werden sie von der Wirtschaft, um eine gezielte Rückmeldung zu den Schulabgängern zu erhalten, aber nicht von den Pädagogen, die um das Wohlergehen ihrer Schüler besorgt sind.

    Kopfnoten werden je nach vorherrschendem Menschenbild von den Lehrern kritisch hinterfragt oder bewusst begrüßt. Zu Recht mahnen die Kirchen an, dass Persönlichkeiten nicht in Kopfnoten gepresst werden können und dass dies dem christlichen Menschenbild widerspricht.

    Lehrer und Lehrerinnen beurteilen ein Verhalten danach, ob es ihrem eigenen normativen Kodex entspricht. Schüler und Schülerinnen aus der Mittelschicht werden hier eindeutig bevorzugt. Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien oder mit Zuwanderungsgeschichte wieder einmal benachteiligt. Warum verstehen Sie das eigentlich nicht? Gleichzeitig wird über Noten bei Schülern ein Selbstkonzept entwickelt, das oft bis ins Erwachsenalter nicht abgelegt werden kann.

    Ihre Argumentation der positiven Effekte von Kopfnoten ist extrem einseitig. Kopfnoten verbessern nämlich nicht in jedem Fall die Chancen von Jugendlichen, sie können sie auch maßgeblich verschlechtern.

    Dies haben die Kirchen richtig erkannt und deutlich formuliert. Wir hoffen sehr, dass Ihre Verantwortungsbereitschaft, ja Ihre Konfliktfähigkeit ausreichen, um die erneut vorgetragenen Kritiken konstruktiv aufzunehmen.

    Soweit wir dies der Presse entnehmen können, ist davon bisher leider nichts spürbar. Ihre Performance im Zusammenhang mit der Kritik an den Kopfnoten ist schlicht gesagt miserabel.

    Da droht die Ministerin an, die Schulaufsicht einzuschalten, um die Kopfnoten durchzusetzen. Der Staatssekretär stimmt in diese Forderung ein. Aber er ist ja im Land ohnehin dafür bekannt, dass er Druck aufbaut. Da wird das Bild von der Schule als Anstalt durch das Ministerium öffentlich untermauert. Die Eigenverantwortung der Schulen, erst recht der einzelnen Lehrer wird ausgeschaltet. Am liebsten würde das Ministerium in jede „Abweichler-Schule“ unmittelbar reinregieren. Da wird von Konsequenzen gesprochen, und es hört sich wie eine Drohung an.

    Dass die FDP keine Politik macht, die liberal ist, daran hat man sich ja schon gewöhnt. Aber warum verfolgt die CDU Ziele und Wege, gerade auf dem Gebiet der Werte, denen nicht einmal die Kirchen mehr folgen wollen?

    Bitte ziehen Sie doch endlich Konsequenzen aus der erneuten Debatte um die Kopfnoten. Nehmen Sie den öffentlichen Protest zum Anlass, eine Korrektur ihrer Politik vorzunehmen. Ermöglichen Sie den Schulen, verantwortlich zu handeln, denn in den Schulen ist deutlich mehr Fachkompetenz und Verantwortung vorhanden als in der Spitze ihres Ministeriums.

    Akzeptieren Sie doch, dass jede einzelne Schule ihr Modell der Beurteilung entwickelt. Ersetzen Sie Ihre Kultur des Misstrauens durch eine Kultur des Vertrauens.