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    01. Februar 2008

    Dumm schlägt gut - oder wie man die Forderung nach Gemeinsamkeit desavouieren kann

    Offene Antwort
    auf den offenen Brief zum Thema Integration
    in „DIE ZEIT“ vom 31. Januar 2008

    Dumm schlägt gut - oder wie man die Forderung nach Gemeinsamkeit desavouieren kann

    Sehr geehrter Herr Minister Laschet,

    durch die unsägliche Polarisierung Ihres Parteikollegen Koch ist die Integrationspolitik der Union erneut in heftige Schieflage geraten. In dem offenen Brief, den Sie gemeinsam mit 16 weiteren interessierten Unionspolitikern verfasst haben, versuchen Sie, diese Lage wieder ein wenig zu richten. Dazu fordern Sie nachdrücklich „einen neuen parteiübergreifenden Konsens für die Integrationspolitik“. So etwas klingt immer gut, wird damit doch der Eindruck von Sachorientierung und Ausgewogenheit suggeriert.

    Willkommenen Anlass hierfür bot der ebenfalls offene Brief „prominenter Deutschtürken“ an CDU und CSU. Interessanterweise war dieser Brief allerdings nicht nur in der Anrede, sondern auch mehrmals im Text direkt an die CDU und CSU gerichtet und nicht an alle Parteien oder gar die Bürger. Wenn Sie nun Ihren Brief gleich an alle „Bürger“ richten, wird alleine daran schon deutlich, dass Sie die
    berechtigte an die Union gerichtete Mahnung als „Appell an die ganze Gesellschaft“ umzulenken versuchen.

    Umso kritischer muss man daher Ihren Appell an einen parteiübergreifenden Konsens betrachten. Um nicht missverstanden zu werden: Auch ich würde einen solchen Konsens begrüßen. Aber ich bin nicht der Meinung, dass man ihn so einfach herbeischreiben kann, und schon gar nicht auf eine solch wenig aufrichtige Weise, wie Sie es in Ihrem Brief versuchen.

    Ich will hier nicht näher auf Ihren völlig misslungen Satz eingehen, nach dem Integrationspolitik „nicht zum Wahlkampfthema degradiert werden darf.“ Das werde ich an anderer, geeigneter Stelle tun. Wie hätten Sie es denn gerne, worüber dürfen wir uns im Wahlkampf auseinandersetzen? Hier geht es nicht um das Ob, sondern um das Wie, so wie es Herr Koch nun zum wiederholten Male gemacht hat. Dass Sie sich davon distanzieren würden, sucht man in Ihrem Brief leider vergeblich.

    Betrachtet man Ihren Konzens-Appell einmal näher, stellt man fest, dass es sich auf weite Strecken um die Selbstbeweihräucherung beinahe eines jeden Unterzeichners handelt, allen vorneweg der Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen mit seinem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Da Sie den Sozialdemokraten in dem Zusammenhang gerade nichts Handfestes ans Zeug flicken können, muss zumindest der diffuse Hinweis an das linke (!) Lager herhalten, dass Multikulturalität „kein immerwährendes Straßenfest“ sei. Ja, wo haben Sie diesen Unsinn denn aufgefunden? Dies ist eine bewusste Diffamierung, die einem demokratischen Konsens wenig zuträglich ist.

    Besonders schief wird Ihr Schreiben im Kontext der Feststellung, dass Bildung die beste „Prävention gegen Jugendgewalt“ ist. Darauf habe ich schon immer in unterschiedlichen Funktionen mit allem Nachdruck hingewiesen, und ergänze: Bildung ist vor allem auch der beste Weg zur Integration. Aber was bedeutet das für Sie? Neben einigen anderen durchaus sinnvollen Maßnahmen „bessere Durchlässigkeit der Schulzeiten“(?) und „mehr … Sozialpädagogen an den Hauptschulen“. Ihr „ganzheitliches Bildungskonzept“ ist bestenfalls eine Notlösung!

    Volle Integration kann im Bildungssystem nur durch eine gemeinsame Beschulung erreicht werden, nicht durch möglichst sorgfältige Selektion, wie sie gerade in Nordrhein-Westfalen gesetzlich erzwungen wird, mit nachträglicher Reparatur durch Sozialpädagogen und „Deluxe-Programmen“ für Hauptschulen. Eine gemeinsame,
    chancengleiche Schule wird aber von Niedersachsen bis Bayern von CDU und CSU mit allen Mitteln bekämpft.

    So entlarvt sich Ihr Schreiben an den entscheidenden Stellen als simple parteipolitische Agitation. „Dumm schlägt gut“, das hätten Sie auch als Motto über Ihren Brief schreiben können. Ein Aufruf zu Konsens und Gemeinsamkeit sieht anders aus. Es ist schade, dass damit wieder eine Möglichkeit gemeinsamen Bemühens um den so dringend nötigen Integrationsfortschritt in unserem Land vertan wurde.

    Mit freundlichen Grüßen
    Renate Hendricks, MdL