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    21. Februar 2008

    Begabungsgerechte Heterogenität an Gesamtschulen - Welche Regelungen bestehen, welche will das Ministerium noch auf den Weg bringen?

    LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
    14. Wahlperiode
    Drucksache 14/6466
    28.03.2008

    Antwort
    der Landesregierung
    auf die Kleine Anfrage 2317
    der Abgeordneten Renate Hendricks SPD
    Drucksache 14/6209

    Begabungsgerechte Heterogenität an Gesamtschulen - welche Regelungen bestehen, welche will das Ministerium noch auf den Weg bringen?

    Wortlaut der Kleinen Anfrage 2317 vom 12. Februar 2008:

    Gesetzlich geregelt ist die Vierzügigkeit für die Errichtung einer neuen Gesamtschule. Vier Klassen à 28 Kinder ergeben die magischen 112, die für eine Neugründung einer Gesamtschule erforderlich sind.

    Bei den Anmeldungen an die zu gründende Gesamtschule in Siegburg mussten nach Angaben des Bürgermeisters entsprechend den Vorgaben des Landes Kinder mit Empfehlungen von jeder Schulform - Hauptschule, Realschule und Gymnasium - mit je einem Drittel vertreten
    sein.

    Seit einiger Zeit wird in gut informierten Kreisen vermutet, dass das Ministerium für Schule und Weiterbildung zukünftig diese Drittelung der „begabungsgerechten Heterogenität“ an allen Gesamtschulen verpflichtend für die Anmeldungen vorschreiben will. Die Vermutung greift Raum, dass man versuchen will, das integrative Schulangebot in NRW stärker zu reglementieren, um es aushöhlen.

    Ich frage daher die Landesregierung:

    1. Mit welcher Rechtswirksamkeit existiert die Vorschrift, dass für die Anmeldung an einer neu zu gründenden Gesamtschule Schüler und Schülerinnen zwingend mit je einem Drittel eine Empfehlung für die Hauptschule, Realschule und Gymnasium vorweisen müssen, um die Schülerzahl von 112 zusammen zu bekommen?

    2. Bestehen in den vorhandenen Rechtsvorschriften Interpretationsmöglichen in Bezug auf die Forderung nach der Drittelung der Begabungsheterogenität?

    3. Warum beabsichtigt die Landesregierung zukünftig für alle Anmeldungen an Gesamtschulen die Drittelung der „Begabungsheterogenität“ zur zwingenden Voraussetzung zu machen?

    4. Wann will die Landesregierung die Rechtsgrundlage dafür schaffen?

    5. Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus den wissenschaftlichen Ergebnissen zu der Benachteiligung durch sozial differentielle Lernmilieus?

    Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung vom 25. März 2008 namens der Landesregierung:

    Zu den Fragen 1 und 2

    Das Bedürfnis im Sinne des § 78 Abs. 4 und 5 Schulgesetz NRW (SchulG) für die Errichtung einer Gesamtschule hat nicht nur eine quantitative Komponente (erforderliche Schülerzahl), sondern auch eine qualitative Komponente (Leistungsheterogenität). Eine leistungsheterogene Schülerschaft ist ein wesentliches Strukturelement der Gesamtschule.
    Auch die „Vereinbarung der Kultusministerkonferenz über die Schularten und Bildungsgänge im Sekundarbereich I“ vom 03.12.1993 in der Fassung vom 2.6.2006 setzt eine solche Zusammensetzung der Schülerschaft voraus; nach der KMK-Vereinbarung umfasst die integrierte Gesamtschule die drei Bildungsgänge des Sekundarbereichs I.
    Eine Gesamtschule kann die nach § 82 Abs. 8 SchuIG erforderliche Schülerzahl der gymnasialen Oberstufe (42 Schülerinnen und Schüler im ersten Jahr der Qualifikationsphase) nur dann erreichen, wenn sie eine leistungsheterogene Schülerschaft in der Sekundarstufe I hat, also auch das obere Leistungsdrittel vertreten ist. Dies bedeutet konkret, dass ein Drittel der Kinder zumindest mit Einschränkungen für das Gymnasium geeignet sein müssen.
    In § 1 Abs. 2 der geänderten Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Sekundarstufe I (APO-S I) wurde daher in Übernahme bisheriger Vorgaben auch die Leistungsheterogenität als Aufnahmekriterium bei einem Anmeldeüberhang festgeschrieben.
    Im Übrigen geht die APO-S I auch in § 19 wie selbstverständlich davon aus, dass eine Gesamtschule eine hinreichende Zahl von Schülerinnen und Schülern hat, die in die gymnasiale Oberstufe übergehen werden; daher das Angebot in Latein und in Klasse 10 in Fächern der gymnasialen Oberstufe.

    Zu den Fragen 3 und 4

    Die Unterstellung, dass die Landesregierung beabsichtigt, zukünftig für alle Anmeldungen an Gesamtschulen die Leistungsdrittelung zur zwingenden Voraussetzung zu machen, trifft nicht zu. Insoweit verweise ich auf meine Antwort zu den Fragen 1 und 2.

    Zur Frage 5

    Das im neuen Schulgesetz verankerte Prinzip der individuellen Förderung, die vorschulische Sprachförderung, die Erhöhung der Durchlässigkeit, die verstärkte Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe, die erweiterten Ganztagshauptschulen und die Ergänzungsstunden zur individuellen Förderung in der Stundentafel der Schulen der Sekundarstufe I sind geeignet, Benachteiligungen durch sozial differenzierte Lernmilieus auszugleichen. Des Weiteren können die im Bereich der Hauptschule und der Gesamtschule von der Landesregierung fortgeführten Projekte Sprachförderung 5/6 und Betrieb und Schule (BUS) sowie allgemein die Integrationshilfen für Schulen mit einem hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern aus Migrantenfamilien ohne die erforderlichen Deutschkenntnisse genannt werden.