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    19. Juni 2008

    Viele Eltern finden für ihre Kinder zum neuen Schuljahr keinen Platz im Gemeinsamen Unterricht – was tut die Landesregierung um den GU auszubauen?

    LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
    14. Wahlperiode
    Drucksache 14/7203
    16.07.2008

    Antwort
    der Landesregierung
    auf die Kleine Anfrage 2584
    der Abgeordneten Renate Hendricks SPD
    Drucksache 14/7005

    Viele Eltern finden für ihre Kinder zum neuen Schuljahr keinen Platz im Gemeinsamen Unterricht – was tut die Landesregierung um den GU auszubauen?

    Wortlaut der Kleinen Anfrage 2584 vom 11. Juni 2008:

    Im neuen Schulgesetz, findet sich der Satz „Der Schulträger kann Förderschulen zu Kompetenzzentren für die sonderpädagogische Arbeit ausbauen." Der Interessenverband der Förderschulen begrüßt diese Formulierung mit Aussicht auf neue Aufgaben. Die Befürworter des Gemeinsamen Unterrichts (GU) von behinderten und nichtbehinderten Schüler/innen glauben, dass dieser sich auf der Verliererachse befindet

    Ein von den Koalitionsfraktionen CDU und FDP beschlossener Antrag nährt die Befürchtung, dass die Entwicklung des GU unmittelbar von der Interessenlage der Förderschulen abhängig ist.

    Der GU hat nach wie vor keine Priorität in NRW. Es gibt ihn nach Maßgabe des Kompetenzzentrums als ein Angebot unter anderen. Als Kriterium für die Entscheidung über den Förderort gilt weiterhin die „Passung" von Kind und Förderort. Dieses subjektive Kriterium sorgt weiterhin dafür, dass die Kinder integrationsfähig sein müssen, um eine Chance auf Teilnahme am Gemeinsamen Unterricht zu haben. Diese Integrationsfähigkeit wiederum wird davon abhängig sein, wie viele Plätze für den GU in den allgemeinbildenden Schulen ausgewiesen sind. Der Verpflichtung sich auf den Weg zu machen, um den pädagogischen Förderbedürfnissen aller Kinder in einer Schule für alle zu entsprechen wird derzeit nicht entsprochen.
    Tatsächlich haben die Grundschulen nicht das Personal für zusätzlichen GU. Ganz konkret, in Bonn sind die Lehrerstellen für den GU an den Grundschulen rückläufig und damit können die Plätze nicht ausgeweitet werden. Die Anträge von Eltern auf einen GU Platz übersteigen das Angebot an tatsächlichen Plätze bei weitem, sowohl in der Grundschule wie in der Sekundarstufe I.

    Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

    1. An welchen Orten sind wie viele zusätzliche Plätze im GU seit Beginn des Schuljahres 2007/08 geschaffen worden?

    2. Wie verhält sich die Relation von Anträgen von Eltern auf einen GU Platz zu den tatsächlichen Plätzen?

    3. Die Nachfrage an den Grundschulen übersteigt derzeit das mögliche Platzangebot bei weitem. Wie kommt die Landesregierung den Wünschen der Eltern nach?

    4. Wie viele Lehrer und Lehrerinnen sind seit dem Schuljahr 2006/2007 dem Schulkapitel für den Gemeinsamen Unterricht in NRW mehr zur Verfügung gestellt worden? (Grundschule und Sekundarstufe)

    5. Welche Vorteile sieht die Landesregierung bei der integrativen Beschulung für die Entwicklung der Kinder gegenüber der Beschulung in den Förderschulen als gegeben an?

    Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung vom 14. Juli 2008 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales und dem Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration:

    Vorbemerkung:

    Die Landesregierung hat das Recht auf eine individuelle Förderung und den damit verbundenen Auftrag an die Schulen des Landes in § 1 des Schulgesetzes deutlich herausgestellt. Die Landesregierung will eine individuelle Förderung für alle Schülerinnen und Schüler gewährleisten, auch für die mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Dazu sind die Angebote des Gemeinsamen Unterrichts und der Integrativen Lerngruppen in den letzten Jahren kontinuierlich ausgeweitet worden. Mit der zunächst dreijährigen Pilotphase der Kompetenzzentren für die sonderpädagogische Förderung ab dem Schuljahr 2008/2009 beschreitet die Landesregierung neue Wege der sonderpädagogischen Förderung: Der Ausbau von Förderschulen zu Kompetenzzentren soll u. a. dazu beitragen, dass mehr wohnortnahe, integrative Förderung in einer Region erreicht wird. Durch intensive Vernetzung mit den allgemeinen Schulen und durch den Aufbau eines Präventionssystems für sonderpädagogische Förderung – besonders im Bereich der Lern- und Entwicklungsstörungen – sollen die Möglichkeiten zur wohnortnahen Beschulung, und somit zum Verbleib von Kindern und Jugendlichen auch mit umfassenden Förderbedürfnissen in allgemeinen Schulen, verbessert werden.

    Damit sind die Möglichkeiten einer wohnortnahen und integrativen Beschulung kontinuierlich verbessert worden und sollen auch weiter ausgebaut werden.

    Zu den Fragen 1, 3 und 4

    Die Landesregierung stellt zur Einrichtung des Gemeinsamen Unterrichts keine Plätze, sondern Lehrerstellen zur Verfügung.

    Sowohl im Gemeinsamen Unterricht als auch in den Integrativen Lerngruppen erhält jede Schülerin und jeder Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf einen so genannten Lehrerstellengrundbedarf für die sonderpädagogische Förderung durch eine Lehrkraft für Sonderpädagogik. Der Umfang dieses Grundbedarfs wird durch die Relation „Schüler je Stelle“ des jeweiligen Förderschwerpunktes bestimmt. Der Grundbedarf wird immer - in der allgemeinen Schule wie in der Förderschule - von Lehrkräften für Sonderpädagogik abgedeckt.
    Die Stellen für den Gemeinsamen Unterricht in der Grundschule sind in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht worden. So standen im Schuljahr 2006/2007 insgesamt 1.044 Stellen für den Gemeinsamen Unterricht in der Grundschule (Grund- und Mehrbedarf) zur Verfügung, im Schuljahr 2007/2008 insgesamt 1.139 Stellen, im Schuljahr 2008/2009 werden es insgesamt 1.235 Stellen sein. Das ist eine Steigerung von ca. 100 Lehrerstellen je Schuljahr.
    Somit ist ein kontinuierlicher Ausbau trotz insgesamt rückläufiger Schülerzahlen in der Grundschule möglich.

    Auch die Zuweisung des Grundbedarfs für die sonderpädagogische Förderung in den Schulen der Sekundarstufe I hat sich in den letzten Jahren erhöht. Im Schuljahr 2006/2007 standen 547 Stellen (Grund- und Mehrbedarf) für 3.159 Schülerinnen und Schüler bereit. Im Schuljahr 2007/2008 wurde von 3.552 Schülerinnen und Schülern ausgegangen und 641 Stellen (Grund- und Mehrbedarf) zugewiesen. Für das Schuljahr 2008/2009 wird von 3.932 Schülerinnen und Schülern ausgegangen und 685 Stellen (Grund- und Mehrbedarf) zugewiesen, was eine Erhöhung um 44 Stellen bedeutet.

    Mit diesen Maßnahmen kommt die Landesregierung den Wünschen nach Ausbau der sonderpädagogischen Förderung in den allgemeinen Schulen nach.

    Zur Frage 2

    Die Anzahl der Anträge auf Gemeinsamen Unterricht wird von der Allgemeinen Schulstatistik nicht erfasst. Nach § 13 AO-SF entscheidet die Schulaufsichtsbehörde über den sonderpädagogischen Förderbedarf, den Förderschwerpunkt oder die Förderschwerpunkte und den Förder- ort. Die Schulaufsichtsbehörde kann Gemeinsamen Unterricht mit Zustimmung des Schulträgers an einer allgemeinen Schule einrichten, wenn die Schule dafür personell und sächlich ausgestattet ist.

    Wichtig ist zu betonen, dass die Schulaufsichtsbehörde ihre Entscheidung über den Förderort hauptsächlich aus pädagogischen Gründen trifft und dafür die Förderbedürfnisse des einzelnen Kindes zugrunde legt. Die durch die Stellenzuweisung zur Verfügung stehenden Lehrerstellen sind nur ein Baustein bei dieser Entscheidung.

    Zur Frage 5

    Bei der Beschulung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in allgemeinen Schulen gibt es keine generellen Vorteile und keine generellen Nachteile gegenüber der Beschulung in Förderschulen. Die Vorteile sind nur im Einzelfall zu beurteilen. In diese Beurteilung fließen sowohl der konkrete sonderpädagogische Förderbedarf als auch die individuellen Bedingungen in der Lernumgebung ein. Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf benötigen ein maßgeschneidertes Lernangebot, wobei eine Vielfalt an Lernorten erforderlich ist, um Lernchancen entsprechend der individuellen Ausgangslage optimal zu ermöglichen.