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    19. Juni 2008

    Mündliche Anfrage: Wie begründet die Landesregierung dass die mittleren Abschlussprüfungen den Anforderungen entsprechen

    Schriftliche Beantwortung der Mündlichen Anfrage

    Die Mündliche Anfrage 213 der Abgeordneten Renate Hendricks (SPD) lautet:
    Wie begründet die Landesregierung, dass die mittleren Abschlussprüfungen den Anforderungen entsprechen?

    Die zentralen Abschlussprüfungen 2008 der Klasse 10 im Fach Deutsch weisen einige Auffälligkeiten auf. So wurde an Real- bzw. Gesamtschulen ein Auszug aus dem Roman „Blütenstaubzimmer“ verwendet. Dieser Roman wird klassisch in gymnasialen Oberstufen bearbeitet, sodass es überaus verwundert, dass er Eingang in die zentrale Abschlussprüfung für die Real- bzw. Gesamtschüler gefunden hat.

    In der Abschlussprüfung des gleichen Jahres der Klasse 10 im selben Fach erhielten Gymnasiasten die Aufgabe, einen Auszug aus dem Jugendbuch „Crazy“, das zur Schullektüre von 14- bis16-Jährigen gerechnet wird, zu analysieren.

    Nicht nur die Textauswahl, auch die Aufgabenstellungen weisen Besonderheiten auf, die darauf schließen lassen, dass eine Verwechslung der Aufgaben stattgefunden hat.

    Der Realschullehrerverband kommentiert dies in einer Pressemeldung vom 12.06.2008 damit:
    „Dass viele Realschüler einen Text gemeistert haben, der oft in der gymnasialen Oberstufe eingesetzt wird, ist ein klarer Beleg für die Fähigkeiten und die Qualität des Unterrichts an den Realschulen.“

    Wie begründet die Landesregierung die geringere Anspruchshöhe der Aufgaben an den Gymnasien im Vergleich zu den Real- und Gesamtschulen bei der zentralen Abschlussprüfung 2008 der Klasse 10 im Fach Deutsch in Nordrhein-Westfalen?

    Die schriftliche Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung lautet:

    Frau Hendricks, Sie gehen in Ihrer Anfrage davon aus, dass bei den Prüfungen für die Klasse 10 in Deutsch die Aufgaben für das Gymnasium und die Realschulen vertauscht wurden. Ich kann Ihnen versichern, dass sie nicht vertauscht wurden. Vielmehr scheint Ihrer Anfrage eine Verwechslung zugrunde zu liegen, wenn Sie darauf hinweisen, dass der Roman „Das Blütenstaubzimmer” von Zoë Jenny auch in der gymnasialen Oberstufe gelesen wird. Hier wird die Lektüre einer Ganzschrift mit dem Ausschnitt aus einem Roman verwechselt, der unter thematischen Gesichtspunkten für eine Prüfung ausgesucht wurde.

    Und auch die dazugehörigen Aufgaben sind nicht auf den Roman bezogen, sondern auf die thematischen Aspekte, die durch die unterrichtlichen Vorgaben für die Prüfungen am Ende der Klasse als Schwerpunkte genannt wurden. Die Aufgaben wiederum sind an den Kompetenzerwartungen der Kernlehrpläne orientiert. Und diese beziehen sich im Gymnasium wie in der Realschule auf die Bildungsstandards der KMK für den Mittleren Schulabschluss.

    Von daher kommt es wesentlich darauf an, inwiefern Text, Aufgaben und Bewertungskriterien dem Anspruch der Kernlehrpläne entsprechen. Und es kommt nicht darauf an, in welcher Jahrgangsstufe oder in welcher Schulform „Das Blütenstaubzimmer” von Zoë Jenny oder auch „Crazy” von Benjamin Lebert gemeinhin gelesen werden. Ohnehin kann man Texte in verschiedenen Jahrgangsstufen mit unterschiedlichen Zielsetzungen lesen. Dabei wird man sehr genau auf altersgemäße Aufgabenstellungen und Untersuchungsaspekte achten.

    Noch sehr viel flexibler ist der Einsatz von Textauszügen. Das zeigen insbesondere die Lehrbücher, die sich dieser Methode ausgiebig bedienen. Hier ließe sich derselbe Vorwurf an Stellen erheben, an denen Auszüge aus Romanen oder Dramen unter thematischem Aspekt Eingang in das Lehrwerk einer Jahrgangsstufe finden, obwohl man den Gesamttext nicht unbedingt in derselben Stufe lesen würde. Ich betone daher nochmals, dass die Textauszüge sorgfältig hinsichtlich ihres Verwendungszusammenhangs ausgesucht wurden.

    Die Unterschiede zwischen Realschule und Gymnasium liegen auch nicht in den allgemeinen Kompetenzerwartungen, sondern im Anforderungsniveau der Aufgabenstellungen und der Bewertungskriterien. Diese berücksichtigen die unterschiedlichen Aufgabentraditionen der Schulformen. Dem tragen neben der Textauswahl vor allem Arbeitsaufträge und Bewertungskriterien Rechnung. Ich gebe Ihnen hierfür zwei Beispiele:

    Während die Gymnasiasten in ihrer Einleitung zu einer Textanalyse bereits eine erste Deutungshypothese des Textes formulieren müssen, reicht in der Realschulversion die Benennung des Themas. In beiden Fällen wird aber dieselbe Punktzahl für die unterschiedlichen Leistungen erteilt.

    Ähnlich verhält es sich bei einer inhaltlichen Zusammenfassung eines Textes. Jeder weiß, dass eine kurze Zusammenfassung, die ausschließlich auf zentrale Aussagen eines Textes fokussiert ist, diese aber präzise und verständlich darlegt, eine hohe Anforderung darstellt. Genau dies ist aber die Anforderung im gymnasialen Bereich, wenn man die Maximalpunktzahl erreichen will. Von Realschülerinnen und Realschülern wird das in der Prüfung nicht gefordert. Die Aufgabenformulierung ist hier offener, lässt eine einfache Textwiedergabe zu und eröffnet der beurteilenden Lehrkraft bei einer doppelt so hohen Punktzahl wie bei der Schulform Gymnasium einen größeren Spielraum bei der Punktvergabe.

    Die zusätzlichen Hinweise bei der Aufgabenstellung bedeuten daher bei den Gymnasialaufgaben keine zusätzlichen Hilfen, sondern sind konkrete Festlegungen der höheren Anforderungen an die Schülerleistung.

    Im Übrigen verweise ich auf die Stellungnahmen des Realschulverbandes und des Philologenverbandes, die hier eindeutig Stellung bezogen haben.