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    23. Oktober 2008

    Mobilität für alle - Sozialticket aktiv voranbringen!

    Antrag der Fraktion der SPD Mobilität für alle - Sozialticket aktiv voranbringen! I. Gestiegene ÖPNV-Kosten erschweren Teilhabe - Landesregierung trägt Verantwortung Wie alle anderen Bundesländer erhält das Land NRW seit dem Jahre 2006 ein Prozentpunkt der insgesamt dreiprozentigen Steigerung der Mehrwertsteuer u. a. als Ausgleich für die reduzierten Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr. Das Land hat diese Mittel bislang – im Unterschied zu vielen anderen Bundesländern - jedoch nie für diesen Zweck eingesetzt. In der Folge waren die Verkehrsverbünde dazu gezwungen, die Ticketpreise mehrfach anzuheben. So musste beispielsweise der VRR trotz ständiger Rationalisierungen und Kosteneinsparungen binnen Jahresfrist zweimal seine Preise erhöhen. Nach einer durchschnittlichen Preiserhöhung um 3,9 Prozent zum 01.08.2007 erfolgte eine weitere Erhöhung um ganze 5,5 Prozent zum 01.08.2008. Im VRS sehen die Zahlen ähnlich aus. Von 2006 bis 2008 sind die Preise um insgesamt 15 Prozent erhöht worden, eine Erhöhung um 2,9 Prozent für 2009 ist bereits beschlossen. Diese Erhöhungen sind eine direkte Folge der ÖPNV-Politik der schwarz-gelben Landesregierung. Mobilität bedeutet Teilhabe Mobilität ist eine Grundvoraussetzung für die Teilhabe der Menschen am gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Leben sowie zur Teilnahme am oder zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt. Jedoch sind für viele Menschen, die auf den ÖPNV angewiesen sind, die deutlich gestiegenen Preise im ÖPNV inzwischen viel zu hoch. Für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II beträgt der Anteil am Regelsatz für die Teilnahme am Verkehr etwa 15 € im Monat. Allein ein 4er-Ticket der Preisstufe A im Verkehrsverbund Rhein Ruhr kostet heute 7,70 €, die preiswerteste Monatskarte im Abonnement (Ticket 1000, Preisstufe A, ab 9.00 Uhr nutzbar) kostet 34,81 € pro Monat. Den Schwachen helfen, die Kommunen unterstützen Zahlreiche Kommunen, die ihren Bewohnerinnen und Bewohnern ein Grundmaß an Mobilität garantieren wollen, haben bereits Sozialtickets eingeführt oder streben die Einführung solcher Tickets an. Sie sind auf die Unterstützung des Landes angewiesen. Sie dürfen nicht allein gelassen werden. Die Einführung des Sozialtickets ist darum auch ein landespolitisches Thema. Aus Erfahrungen lernen Bundesweit, z.B. in München, Nürnberg, Frankfurt/M., Mainz/Wiesbaden, Leipzig und Berlin sowie im Land Brandenburg sind derzeit Ticketangebote für die Nutzung des ÖPNV eingeführt bzw. in der Diskussion, deren Preise die Einkommenssituation der Nutzerinnen und Nutzer berücksichtigen. In Nordrhein-Westfalen laufen zurzeit erfolgversprechende Modellprojekte mit Sozialtickets in Köln und in Dortmund, in deren Rahmen bereits mehr als 30.000 Menschen ein Sozialticket erworben haben. Die Räte etlicher Kreise und Städte haben Beschlüsse für die Einführung eines Sozialtickets gefasst (z.B. Kreis Unna, Essen, Gelsenkirchen, Herne). Die Mehrkosten, die diese Tickets verursachen, werden dabei derzeit allein von den Kommunen getragen. In den Verbandsversammlungen der Verkehrsverbünde fand sich bislang keine Mehrheit dafür, auch für Menschen mit niedrigem Einkommen ein eigenes Angebot einzuführen. Andere Zielgruppen, wie beispielsweise Schüler, Azubis, Berufstätige, Senioren, finden dagegen durchaus Berücksichtigung in den Ticketstrukturen der Verbünde. So bietet der VRR mit dem Bärenticket ein verbundweit gültiges Abo für Senioren an, das für 60 Euro im Monat sogar die Nutzung der ersten Klasse ermöglicht. Landesseitig bezuschusst wird das Schokoticket mit 49 € pro Ticket und Jahr sowie das Semesterticket mit etwa 4 € pro Monat und Ticket. In dieser Größenordnung sollte das Land NRW sich auch an der Finanzierung des Sozialtickets beteiligen. Nach den bisherigen Erfahrungen ist davon auszugehen, dass ca. 15 Prozent der Anspruchsberechtigten ein Ticket erwerben werden. II. Die Ausgestaltung des Sozialtickets gemeinsam angehen Die Einführung eines Sozialtickets ist eine freiwillige Entscheidung der jeweiligen Kommune. Für eine Landesförderung ist es jedoch notwendig, dass seitens des Landes im Einvernehmen mit den Kommunen definiert wird, welche Mindestkriterien erfüllt sein müssen, damit die Kommune, die ein solches Sozialticket einführen will, Landesförderung erhält. Gemeinsame Standards entwickeln und einführen Nach Abstimmung mit den Kommunen könnten folgende Kriterien als Mindeststandards festgelegt werden: a. Anspruchsberechtigte Anspruchsberechtigt sollte in jedem Fall der folgende Personenkreis sein:
    • Empfänger von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem SGB II
    • Empfänger von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII
    • Empfänger von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem AsylbLG und
    sofern sie Einwohner der jeweiligen Kommune sind. Damit hätten aktuell landesweit ca. 2 Mio. Menschen ein Anrecht auf ein Sozialticket. Wenn die Kommunen darüber hinaus den Bezugsberechtigtenkreis auf weitere Personen ausdehnen, ist auch dafür eine Landesförderung vorzusehen. b. Leistungsmerkmale Das Sozialticket sollte von seinen Leistungsmerkmalen her dem preiswertesten Monatsticket der Preisstufe A bzw. Cityticket im jeweiligen Verbund entsprechen, das jederzeit nutzbar ist und nicht übertragen werden kann. Darüber hinaus erscheint es sinnvoll, den Berechtigten die Möglichkeit zu geben, zu einem entsprechend vergünstigten Preis auch über die einzelne Stadt/den einzelnen Kreis hinaus gültige Monatstickets zu erwerben. c. Preis Das Sozialticket wird zu einem für den Personenkreis angemessenen und wirtschaftlich vertretbaren Preis angeboten, der mindestens 40 Prozent unter dem bisherigen Preis für eine gleichwertige Monatskarte im Jahresabonnement liegt. d. Angemessene Kostenübernahme durch die Kommunen Die Kommune ist gehalten, im Gegenzug zu einer Landesförderung, die Mehrkosten, die nicht über die Landesförderung abgedeckt werden, zu übernehmen. Damit eine Kostenübernahme auch von Kommunen in der Haushaltsicherung (§76 GO) oder unter den Bedingungen der vorläufigen Haushaltsführung (§82 GO) gewährleistet werden kann, müssen die kommunalen Komplementärmittel von der Kommunalaufsicht wie eine pflichtige Leistung bewertet werden. Damit wird verhindert, dass das Angebot eines Sozialtickets nur in finanzstarken Städten oder Gemeinden möglich ist, während Menschen in ärmeren Regionen dieses Angebot verwährt bliebe. III. Die Kommunen bei der operativen Einführung unterstützen Ein wesentlicher Punkt bei der Einführung des Sozialtickets ist die Berechnung der tatsächlichen Mehrkosten, die durch das Sozialticket verursacht werden. Die unterschiedlichen Erfahrungen die Köln und Dortmund bezüglich der Kosten des Sozialtickets gemacht haben, zeigt, dass die Ermittlung der den Verkehrsunternehmen und Verbünden tatsächlich zusätzlich entstehenden Kosten entscheidend dafür ist, zu welchem Preis das Ticket von der Kommune angeboten werden kann, bzw. wie hoch der jährliche Zuschussbedarf pro Ticket tatsächlich ist. Hier ist die Landesregierung aufgefordert, die Kommunen dabei zu unterstützen, ein Berechnungsverfahren zu etablieren, das weder die tatsächlichen Kosten des Sozialtickets verschleiert, noch diese höher ansetzt, als sie tatsächlich zu bewerten sind. Hierbei ist zu beachten, dass die Tickets über die Kommunen ausgegeben werden, mithin Großkundenrabatte fällig werden, dass zahlreiche Neukunden für den Nahverkehr gewonnen werden können und dass - wie auch die Kölner Erfahrungen nahelegen – zahlreiche Schwarzfahrer zum Kauf eines Sozialtickets bewogen werden konnten. IV. Der Landtag beschließt: 1. Der Landtag setzt sich für eine möglichst flächendeckende Einführung eines Sozialtickets durch die Kommunen in NRW ein. Der Landtag sagt den Kommunen zu diesem Zweck eine finanzielle Unterstützung in etwa der gleichen Höhe je Ticket wie beim Schokoticket und beim Semesterticket zu. 2. Die Landesregierung wird aufgefordert, die Kommunen bei der Berechnung der tatsächlichen Mehraufwendungen der Verkehrsunternehmen für ein Sozialticket zu unterstützen und sich an der Finanzierung der notwendigen Erhebungen (Neukunden, Reduzierung von Schwarzfahrten, Umsteiger etc.) zu beteiligen. Hannelore Kraft Carina Gödecke Norbert Römer Dieter Hilser Bodo Wißen Hans-Willi Körfges und Fraktion