Suchen

 
     

    09. September 2008

    Kommunales ehrenamtliches Engagement muss attraktiv bleiben – Freistellungsregeln an Arbeitswelt anpassen

    Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kommunales ehrenamtliches Engagement muss attraktiv bleiben – Freistellungsregeln an Arbeitswelt anpassen Die Regelungen zur Freistellung der kommunalen Vertreterinnen und Vertreter in den Räten entsprechen nicht mehr den Anforderungen der Berufswelt und halten so kommunalpolitisch Interessierte von der Übernahme eines kommunalen Mandates im Rat oder Kreistag und deren Gremien ab. Deshalb müssen die Regelungen zur Freistellung von kommunalen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern ergänzt werden. Aus den Kommunen und Parteien wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es zunehmend schwieriger wird, Menschen für ein ehrenamtliches Engagement in den kommunalen Vertretungen zu gewinnen. Die Mandate gehen in der Regel mit einer hohen zeitlichen Inanspruchnahme und mit hohen inhaltlichen Anforderungen einher. Neben den ohnehin schon bestehenden Schwierigkeiten, ein kommunales Mandat mit familiären und anderen privaten Verpflichtungen zu vereinbaren, kollidieren die Anforderungen zunehmend mit der Realität der modernen Arbeitswelt. Verlängerte sowie unregelmäßige Arbeitszeiten, Schichtdienste, befristete Arbeitsverträge, kombinierte Teilzeitbeschäftigungen, Werk- und Honorarverträge sowie sonstige Variationen atypischer Beschäftigung nehmen zu und haben den Anteil der traditionellen Beschäftigungsformen zurückgedrängt. Auch die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre haben zur Flexibilisierung am Arbeitsmarkt sowie zu erhöhten Anforderungen an die zeitliche und örtliche Mobilität beigetragen. Dieser Realität wird durch die Freistellungsregelungen für kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in der Gemeindeordnung nicht mehr ausreichend Rechnung getragen. Atypische Arbeitszeiten müssen berücksichtigt werden und dürfen nicht zu zusätzlichen zeitlichen Belastungen führen So ergeben sich für Angehörige von Berufsgruppen, die in Schichtdiensten arbeiten, oder für Berufstätige mit wechselnden oder frei bestimmbaren Arbeitszeiten durch die geltende Verordnungslage massive Schwierigkeiten. Die Freistellung nach §44 Abs. 2 GO erfolgt zumeist, wenn die Tätigkeit mit dem Mandat in unmittelbarem Zusammenhang oder auf Veranlassung des Rates erfolgt, und sie gleichzeitig nicht während der arbeitsfreien Zeit ausgeübt werden kann. Dieses Erfordernis entfällt für Beschäftigte mit dynamischen Arbeitszeitregelungen, da sie ja die Möglichkeit haben, ihre berufliche Verpflichtung zu einem anderen Zeitpunkt durch Nacharbeit, verlängertem Arbeitstag am nachfolgenden Tag u.ä. Regelungen zu erfüllen. Im Ergebnis führt dies jedoch zu einer Aufsummierung von beruflichen und ehrenamtlichen Belastungen, die den Einzelnen schnell an seine persönliche Belastungsgrenze führen. Dabei ist gesondert zu berücksichtigen, dass die kommunalen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ihre sonstigen Verpflichtungen, die sich aus dem Mandat ergeben, sowieso in ihrer Freizeit bewältigen müssen. Besuche im Wahlbezirk, bei freien Trägern, Vereinigungen und Gespräche, um sich in Einzelfragen vor Ort sachkundig zu machen, gehören zwingend zur Ausübung des kommunalen Mandates, sind aber nicht über Freistellungsregelungen abgedeckt. Der Landesgesetzgeber sollte also nach Regelungen suchen, die die ehrenamtliche Ausübung des kommunalen Mandates neben einer beruflichen Tätigkeit ermöglichen und geeignet sind, den besonderen verfassungsrechtlichen Schutz des Ratsmandats auch tatsächlich zum Tragen kommen zu lassen. Weiterbildung und Fortbildungsmöglichkeiten für Räte und Mandatsträgerinnen und Mandatsträger ausbauen Die fachlichen Anforderungen an die Räte sind mit den immer komplexer werdenden kommunalen Steuerungsinstrumenten, mit der Einführung des NKF und mit vielen neuen Organisationsformen für die gemeindliche Aufgabenerfüllung beständig gestiegen. Zu Recht erwarten die Bürgerinnen und Bürger, dass die Mitglieder der kommunalen Vertretungen diesen inhaltlichen Ansprüchen auch tatsächlich gerecht werden und fundierte Entscheidungen treffen können. Deshalb müssen die Freistellungsregelungen auch den Anspruch auf Teilnahme an anerkannten kommunalpolitischen Bildungsveranstaltungen umfassen, die für die Ausübung des kommunalen Mandates förderlich sind und die von den kommunalen Spitzenverbänden, den kommunalpolitischen Vereinigungen oder anerkannten Trägern der Weiterbildung durchgeführt werden. Freistellung für Tätigkeit in kommunalen Gesellschaften Aus der kommunalen Praxis gibt es immer wieder Hinweise darauf, dass kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger, die auf Veranlassung des Rates als Vertretung der Gemeinde in Organen von juristischen Personen oder Personenvereinigungen im Sinne des § 113 bestellt sind, keine Freistellung für die Wahrnehmung der damit verbundenen Termine erhalten. Auch in der Reform der GO im Jahre 2007 wurde diesbezüglich keine Klarstellung der Gesetzesformulierung vorgenommen. Hier muss dringend eine Anpassung erfolgen. Der Landtag bekräftigt: Für das Funktionieren der kommunalen Demokratie und Selbstverwaltung ist es unerlässlich, dass das kommunale Ehrenamt mit den durchschnittlichen Anforderungen an Beruf, Familie und einem privaten Umfeld vereinbar bleibt. Deshalb muss sichergestellt werden, dass es nicht zu so hohen persönlichen Zumutungen und Belastungen kommt, dass das Ehrenamt nur noch von wenigen Bevölkerungs- und Berufsgruppen wahrgenommen werden kann. Es ist vielmehr sicherzustellen, dass es sich grundsätzlich für breite Bevölkerungsgruppen als kein systematisches Problem darstellt, ein solches kommunales Ehrenamt anzustreben und auszuüben. Der Landtag beschließt:
    • 1. Es wird eine Studie zur Erfassung der Problemlagen von kommunalen Mandatsträgern bezüglich der Vereinbarkeit mit Familie und Beruf sowie bei der Freistellung durch den Arbeitgeber in Auftrag gegeben.
    • 2. Die Landesregierung wird beauftragt, auf dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltung die Regelungen zur Freistellung kommunaler Mandatsträger so zu erweitern, dass auch moderne flexible Arbeitszeitregelungen angemessen berücksichtigt werden.
    • 3. Für eine jährliche Mindestanzahl von Teilnahmen an anerkannten kommunalpolitischen Bildungsveranstaltungen wird ein Anspruch auf Freistellung eingeräumt.
    • 4. Es ist klarzustellen, dass auch für die Wahrnehmung von Terminen, die sich auf Veranlassung des Rates als Vertreter der Gemeinde in Organen von juristischen Personen oder Personenvereinigungen im Sinne des § 113 ergeben, ein Anspruch auf Freistellung besteht.
    • 5. Es wird eine Kommission eingerichtet, die mit Sachverständigen aus Wissenschaft und den kommunalpolitischen Vereinigungen weitere Möglichkeiten zur Verbesserung der Vereinbarkeit des kommunalen Ehrenamtes mit Beruf und Privatleben aufzeigt. Es wird insbesondere auch geprüft, wie Hemmnisse für ArbeitnehmerInnen aus der Privatwirtschaft abgebaut werden können.
    Fraktion der SPD Hannelore Kraft Carina Gödecke Hans-Willi Körfges und Fraktion Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sylvia Löhrmann Johannes Remmel Horst Becker und Fraktion