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    18. Dezember 2008

    Schutzschirm für Leih-, Zeit- und Kurzarbeiter

    Antrag der Fraktion der SPD Schutzschirm für Leih-, Zeit- und Kurzarbeiter I. Leih- und Zeitarbeit: Vom Boom zu leeren Auftragsbüchern Die Leih- und Zeitarbeitsbranche hat seit den Arbeitsmarktreformen im Jahr 2003 einen ungeahnten Boom erlebt. Die Zahl der Beschäftigten in der Leih- und Zeitarbeitsbranche hat sich innerhalb von 5 Jahren auf mehr als 715.000 Beschäftigte verdoppelt. In NRW sind derzeit mehr als 150.000 Männer und Frauen als Leiharbeitsbeschäftigte tätig. Besonders viele Beschäftigungsverhältnisse hat die Leih- und Zeitarbeitsbranche bei Industrieunternehmen, die sich auf diesem Wege eines flexiblen Instruments der Beschäftigungssteuerung bedienen können. Derzeit zeigt sich jedoch auch die andere Seite der "Leiharbeitsmedaille". Mit dem Rückgang der Aufträge haben die Industrieunternehmen die Aufträge bei den Leih- und Zeitarbeitsunternehmen ohne Verzug gestrichen. Bei dem Automobilzulieferer Hella betrifft dies 200 Beschäftigte, bei dem Maschinenbauer Deutz 500 Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeiter, Ford in Köln hat etwa 200 Beschäftigte in Leih- und Zeitarbeit aus der Produktion genommen. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Etwa 2/3 der in der Leih- und Zeitarbeit Beschäftigten haben befristete Arbeitsverträge, die zumeist an Aufträge von Entleihfirmen gekoppelt sind. Diese Form der Vertragsgestaltung hat der Gesetzgeber durch die Aufhebung des Synchronisationsverbots ermöglicht. Vor der Aufhebung war die unmittelbare Kopplung von Anstellungsverträgen an Verleihaufträge nicht ausgeschlossen. In der Folge sind neue Arbeitsplätze nicht primär in den Unternehmen, in denen die Arbeit geleistet wird, sondern vornehmlich in der Leiharbeit geschaffen worden. II. Entlassungen und Kurzarbeit Auf den Konjunktureinbruch reagieren die Leih- und Zeitarbeitsfirmen prompt und kündigen im Rahmen der arbeitsrechtlichen Möglichkeiten ihren Beschäftigten. Es ist zu erwarten, dass sich die Zahl der arbeitslosen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der Leih- und Zeitarbeit im 1. Quartal 2009 deutlich erhöhen wird, weil Kündigungsschutzfristen und befristete Arbeitsverhältnisse auslaufen. Zugleich wird die Kurzarbeit in der Leih- und Zeitarbeitsbranche zunehmen. Auf Initiative der SPD ist seit dem November 2008 in der Branche Kurzarbeit möglich. Die Bundesagentur für Arbeit gewährt das Kurzarbeitergeld nun auch Beschäftigten in Leih- und Zeitarbeit, damit die Anzahl der Entlassungen bei den Verleihbetrieben so gering wie möglich und somit der Schutz der Beschäftigten so umfänglich wie möglich ausfällt. Ohne den Schutzpuffer der Kurzarbeit würden die Beschäftigten in der Leih- und Zeitarbeit unmittelbar entlassen. Über die Möglichkeiten der Kurzarbeit hinaus fordert der DGB einen Beschäftigungspool für Nordrhein-Westfalen, in den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Leiharbeitsfirmen übernommen werden. Ein solcher Pool ist insbesondere für die Beschäftigten erforderlich, deren Verträge befristet waren, nun auslaufen und damit nicht von der Möglichkeit der Kurzarbeit Gebrauch machen können. Der Beschäftigungspool dient dazu, die Betroffenen vor Arbeitslosigkeit zu schützen, sie zu qualifizieren und in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln. III. Qualifizierung und innovative Arbeitszeitmodelle stärken Was bei der Kurzarbeit richtig ist, kann bei den Arbeitsbedingungen nicht falsch sein: Für die Leih- und Zeitarbeitsbranche müssen die gleichen arbeitsrechtlichen Bedingungen gelten wie für alle anderen Unternehmen auch. Damit einher geht eine Personalplanung, die sowohl die betrieblichen als auch die individuellen Möglichkeiten zur Beschäftigungssicherung umfasst. Leih- und Zeitarbeitsunternehmen sind wie alle anderen Unternehmen gefordert, Beschäftigte weiterzubilden und flexible Arbeitszeitmodelle umzusetzen. Je qualifizierter die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, desto breiter und hochwertiger ist das Einsatzspektrum. Insbesondere die Zeiten von Kurzarbeit sollten hierzu genutzt werden. Zur Finanzierung sollte ermöglicht werden, dass Angebote der Bundesagentur für Arbeit, zum Beispiel das Sonderprogramm WeGebAU, in Zeiten der Kurzarbeit genutzt werden können. Zugleich gilt: Flexi-Konten und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle können gerade auch in Zeitarbeitsfirmen dazu beitragen, dass Unternehmen und Beschäftigte Arbeitszeitkonten auf- und abbauen können, je nach dem wie die Auftragslage und die familiäre Situation es erfordern. IV. Leih- und Zeitarbeit braucht feste Regeln Die konjunkturellen Ausschläge treffen die Leih- und Zeitarbeitsbranche im Abschwung besonders hart, die Branche profitiert in Aufschwungphasen jedoch auch überproportional. Schon heute werden 40 % aller freien Stellen von Unternehmen dieser Branche angeboten. Mit dem nächsten Aufschwung ist ein absoluter und relativer Zuwachs bei den Beschäftigungsverhältnissen der Leih- und Zeitarbeit zu erwarten. Dieser Erosionsprozess bei den Stammbelegschaften wird sich fortsetzen. Daher bedarf es eines festen und verlässlichen Regelwerks für die Beschäftigungsverhältnisse der Zeitarbeitsbranche, das die sozialen und wirtschaftlichen Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer absichert. Nur so kann verhindert werden, dass tarifliche und rechtliche Bestimmungen, die für den Entleihbetrieb selbstverständlich sind, über das Instrument der Arbeitnehmerüberlassung unterlaufen werden. V. Instrument Kurzarbeit nutzen - Entfristung der im Betrieb ausgebildeten Beschäftigten ermöglichen Die Kurzarbeit ist ein hilfreiches Arbeitsmarktinstrument, das in einer konjunkturellen Eintrübung Kündigungen und Arbeitslosigkeit zu verhindern hilft. Die Beschäftigten bleiben den Unternehmen mit variablen Arbeitszeitkontingenten erhalten, so dass bei verbesserter Auftragslage kurzfristig reagiert werden kann. Ein Unternehmen, das Kurzarbeit angemeldet hat, kann jedoch keine Neueinstellungen vornehmen, sondern muss zuerst das bestehende betriebliche Arbeitsangebot ausschöpfen, für das das Instrument der Kurzarbeit genutzt wird. Ein arbeitsmarktpolitisch unerwünschter Nebeneffekt dieser im Grundsatz richtigen Regelung ist, dass Beschäftigte, die nach dem Abschluss ihrer Ausbildung von dem Betrieb befristet übernommen worden sind, nicht in ein dauerhaftes sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis übernommen werden können. Für Unternehmen, die Kurzarbeit angemeldet haben, ist dies derzeit rechtlich nicht möglich. Daher ist es sozial- und arbeitsrechtlich erforderlich, dass der rechtliche Rahmen für die Kurzarbeit so angepasst wird, dass die Entfristung von Beschäftigungsverhältnissen der im Betrieb ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ermöglicht wird. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten brauchen die jungen Beschäftigten Perspektiven und die Unternehmen "nachwachsende" jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nur so kann der Betrieb von dem Erfahrungsschatz der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie den Innovationsimpulsen der jüngeren Beschäftigten profitieren. VI. Beschluss Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass
    • der rechtliche Rahmen für Kurzarbeit so angepasst wird, dass die Entfristung von Beschäftigungsverhältnissen der im Betrieb ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglicht wird.
    • Leih- und Zeitarbeitsunternehmen die tariflichen und rechtlichen Standards ihrer Entleihunternehmen übernehmen. Das gilt auch für Regelungen, die über Entgeltregelungen hinausgehen, zum Beispiel für Qualifizierungsmaßnahmen und flexible, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle.
    • die Zeitarbeitsbranche Aufnahme in das Entsendegesetz finden muss, so dass Lohndumping in der Branche verhindert wird.
    • der Grundsatz "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" uneingeschränkt gilt, so dass die jeweils geltenden betrieblichen Tarife uneingeschränkt auch auf die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer Anwendung finden.
    • im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eine maximale Verleihzeit an einen Entleihbetrieb festgelegt wird.
    • das Synchronisationsverbot wieder in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz aufgenommen wird. Leiharbeitsunternehmen müssen ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dauerhaft beschäftigen und nicht in Abhängigkeit von der aktuellen Auftragslage.
    • das Sonderprogramm WeGebAU der Bundesagentur für Arbeit für Kurzarbeit zu öffnen.
    Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
    • gemeinsam mit den Sozialpartnern einen befristeten Beschäftigungspool speziell für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzurichten, deren Verträge in Leih- und Zeitarbeitsfirmen gekündigt werden oder auslaufen.
    • dem Landtag die bereits am 13. März 2008 angekündigte Evaluation zur Leih- und Zeitarbeit vorzulegen.
    Hannelore Kraft Carina Gödecke Rainer Schmeltzer Thomas Eiskirch Günter Garbrecht und Fraktion