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    Sprechzettel für die Vorstellung

    Niedersachsen den 11.10.2007

    Vorstellung der Person

    Studium Sozialpädagogik und später Psychologie.
    Nach dem Studium und dem Anerkennungsjahr habe ich Leitung des Sozialen Dienstes einer Werkstatt für Behinderte übernommen. Mit der Geburt des zweiten Kindes habe ich aufgehört zu arbeiten.

    Als Mutter von fünf Kindern, die entweder ihr Studium abgeschlossen haben oder derzeit noch studieren, habe ich mich sehr früh in den Bildungseinrichtungen vom Kindergarten an engagiert.

    25 Jahre Elternvertretung auf allen Ebenen der Klassen, Schule, Stadtschulpflegschaft Bonn Vorsitz 15 Jahre, Landesvorsitzende der Grundschulen 10 Jahre und sechs Jahre Bundeselternratsvorsitzende, davor bereits vier Jahre stellvertretende Bundeselternratsvorsitzende.

    2004 bin ich als Seiteneinsteigerin von der SPD NRW aufgrund meiner bildungspolitischen Arbeiten und Erfolge angesprochen und in die Partei geholt worden. Seit 2005 bin ich Mitglied des Landtags von NRW und dort stellvertretende schulpolitische Sprecherin der Fraktion und Sprecherin in der Enquete- Kommission „Chancen für Kinder“, in der wir effiziente Rahmenbedingungen und Steuerungssysteme für ein erfolgreiches Bildungssystem erarbeiten wollen. Der Bericht der Kommission wird Mitte des kommenden Jahres vorgelegt.

    Gerade ist die nächste Generation in unserer Familie geboren worden. Das erste Enkelkind ist drei Monate alt. Für die nächste Generation möchte ich ein Bildungssystem gestalten, dass auf einer Vertrauenskultur fußt und sich nicht über Defizite von Kindern definiert, sondern über deren Können und deren Leistungsvermögen, so wie ich es aus anderen Ländern dieser Welt kennen gelernt habe.

    Erfahrungen und Ziele

    Nach dem schlechten Abschneiden des deutschen Bildungssystems bei den internationalen Leistungsstudien sowohl im Kindertagesstättenbereich (Starting Strong-OECD 2001, UNESCO, UNICEF) als auch im Bereich Schule (TIMMS, PISA) habe ich gezielt angefangen andere Länder aufzusuchen und mich dort über deren Bildungssysteme zu informieren. So habe ich Einblicke in verschiedenen Ländern aber auch in unterschiedliche engagierte und gute Schulen erhalten. So in den Niederlanden, Kanada, Finnland, Schweden, Mexiko, Indien, Argentinien. Ich habe Gespräche mit Lehrern, Schulleitungen, Eltern und Schulträgern vor Ort geführt. Erst in den letzten Wochen haben mich Schulaufsichtsbeamte aus europäischen Ländern wie Litauen, Polen, Estland, Finnland, Schweden, Ungarn, Russland im Landtag von NRW aufgesucht, um mit mir ein Gespräch über Schulentwicklung zu führen. Auch bei diesem Gespräch stand die Einbindung der Eltern in Bildungsprozesse und Bildungseinrichtungen auf der Agenda.

    Gleichzeitig habe ich mir aber auch gute Schulen in Deutschland angeschaut. Diese Einblicke würde ich vielen Lehrern und Lehrerinnen in gleicher Weise wünschen. Eine Möglichkeit einer wirkungsvollen Lehrerfortbildung könnten entsprechende Austausche von Lehrern mit anderen Bildungsorganisationen sein.

    Meine vielfältigen Erfahrungen und meine Visionen von einem besseren und leistungsfähigeren Bildungssystem würde ich gerne in Niedersachsen realisieren. Insofern habe die Anfrage von Wolfgang Jüttner, in sein Niedersachsenteam zu kommen, gerne angenommen. Dabei sehe ich mich in den Zielen und den Wegen für eine erfolgreiche Bildungspolitik mit der SPD Niedersachsen einig.

    Alle bildungspolitisch erfolgreich arbeitenden Staaten haben in der Zwischenzeit - nach vielen anderen Reformen - begonnen, die Zusammenarbeit mit den Eltern intensiver in den Bildungssystemen zu verankern. So z.B. die Finnen, die nach ihrem sehr guten Abschneiden in internationalen Studien nun die Zusammenarbeit mit den Eltern noch einmal neu als Schlüsselfunktion für ein erfolgreich arbeitendes Bildungssystem fordern und fördern.. Dazu zählt, Eltern stärker einzubinden, sie zu informieren, Eltern an der Entwicklung der Kinder zu beteiligen und mit ihnen Vereinbarungen und Verabredungen zu treffen, die sie in die Bildungsverantwortung mit einbinden.

    Diese stärkere Einbindung der Eltern ist mir für eine erfolgreiche Bildungspolitik in Niedersachsen wichtig. Dabei soll die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den Kindertagesstätten und Schulen erfolgen. Eltern sind ein wichtiger Schlüssel zum Bildungserfolg ihrer Kinder. Eine intensive Unterstützung der Eltern sollte von Anfang an ermöglicht und gefördert werden. Nur starke Eltern können ihre Kinder begleiten und diese unterstützen. Diese Aufgabe müssen aus meiner Sicht zukünftig Kindergärten und Schulen gleichermaßen übernehmen. Allerdings - sie benötigen dazu Ressourcen und Rahmenbedingungen sowie Zeit für die Zusammenarbeit. Ich weiß, dass viele Erzieher/innen und Lehrer/innen solche Unterstützungsmaßnahmen und Ressourcen sowohl einfordern als auch von ihrer Notwendigkeit überzeugt sind. Wie überhaupt die Bereitschaft und das Engagement der Pädagogen, an der Gestaltung eines erfolgreichen Bildungssystem mitzuwirken, hoch ist. Auf diese Bereitschaft, auf die Erfahrungen und auf das Können will ich aufbauen.

    Mein Ziel ist es, Niedersachsen mehr als bisher zu einem familien- und kinderfreundlichen Land zu machen. Dazu gehört, dass die Menschen wieder Vertrauen in die Bildungsinstitutionen setzen und von der Qualität der dort geleisteten Arbeit überzeugt sind.

    Politische Schwerpunkte bei der Frühförderung

    Die institutionelle Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern steht zu Recht unter hohen familien- und bildungspolitischen Erwartungen. Jedes Kind muss die Chance einer frühen und individuellen Förderung erhalten. Dies muss unabhängig von den Ressourcen des Elternhauses möglich sein. Entscheidende Weichen für die Bildungs- und Erwerbsbiographie eines Menschen werden bereits in den ersten Lebensjahren gestellt. Kinder lernen durch Erfahrung, Experimentieren, durch Vorbild, Nachahmung und in sozialen Beziehungen sowie im Austausch mit ihrer Umwelt. Dies gilt in besonderem Maße auch für die Sprache. (Sprachförderung)

    Eine umfassende frühe Förderung der Kinder sowie ein niederschwelliges Angebot für eine integrative Familienarbeit sollen ein Schwerpunkt meiner Arbeit für Niedersachsen sein. Dabei steht für mich außer Frage, dass die Familie die wichtigste Sozialisations- und Lerninstanz der frühen Kindheit ist. Dennoch und daneben brauchen viele Familien Betreuungsangebote für ihre Kinder. Hier müssen wir den gesellschaftlichen Notwendigkeiten entsprechen und diese Angebote in hoher Qualität schaffen und vorhalten.

    Dazu gehört auch der Ausbau der Tageseinrichtungen für die Unterdreijährigen. Zurzeit ist Niedersachsen hier bundesweites Schlusslicht. Das entspricht nicht den Erwartungen und Wünschen der jungen Elterngeneration. Ein bedarfsgerechtes Angebot muss landesweit vorgehalten werden. Gute Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sind wichtige Standortvorteile, die für die wirtschaftliche Zukunft dieses Landes ebenso von Bedeutung sind wie für eine erfolgreich gebildete junge Generation.

    Individuelle Bildungspläne müssen für jedes Mädchen und jeden Junge schon im Kindergarten Standard werden. Sie haben sich an seinen Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten und seinen Entwicklungsfortschritten zu orientieren. Notwendige Förderungen sollen mit den Eltern ebenso besprochen werden wie Entwicklungsfortschritte.

    Eine generelle Einschulung mit fünf Jahren, wie sie derzeit von der CDU diskutiert wird, ist aus meiner Sicht für viele Kinder nicht sinnvoll. Denn nicht die Schule alleine ist der Ort des Lernens, sondern Lernen erfolgt ebenso in guten Kindertageseinrichtungen - vielleicht anders - aber mindestens so intensiv. Die Forderung der Einschulung mit fünf Jahren geht von einem falschen Bildungsverständnis aus und lässt die Entwicklungsnotwendigkeiten der Kinder außen vor. Es ist eine strukturelle Diskussion, die in dieser Ausschließlichkeit den Kindern nicht gerecht wird.

    Die Entwicklung eines jeden Kindes verläuft individuell. Deshalb strebe ich im Sinne der Kinder flexible Übergänge vom Kindergarten in die Schule an, so wie es ihrem Entwicklungstand entspricht. Denn Anderssein ist normal und muss in dieser Normalität auch von Bildungseinrichtungen wahrgenommen werden. Die Bildungseinrichtungen haben sich an den Kindern und deren Entwicklung und Begabungen zu orientieren und nicht umgekehrt. Diese Einsicht ist die grundsätzliche Voraussetzung einer erfolgreichen individuellen Förderung.

    Ich könnte mir daher vorstellen, dass Kinder je nach Entwicklung in die Schule aufgenommen werden. Dies erfordert eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit von Schule und Kindergarten, die im Sinne der Kinder aber unabdingbar ist. Die institutionellen Grenzen und Hürden müssen ohnehin einer sinnvollen Förderkultur im Bildungssystem weichen.

    Die Situation in Niedersachsen

    Bereits seit langem habe ich losen Kontakt zum niedersächsischen Schulsystem aber aus gegebenem Anlass habe ich mich natürlich schon etwas näher mit der Ist-Situation der niedersächsischen Bildungslandschaft beschäftigt. Ich kann daher sagen, dass die Reformen der CDU/FDP Koalition in weiten Teilen nicht den Erfordernissen eines zukunfts- und international wettbewerbsfähigen Bildungssystems gerecht geworden sind, sondern in Teilen ein Rückschritt ins 19. Jahrhundert darstellen und zu stark von einer bildungspolitischen Ideologie von „begabungsgerechten Schultypen“ bestimmt wurden.

    Die derzeitigen Überlegungen zur Aufhebung des Gründungsverbotes für die Gesamtschulen durch Herrn Wulf scheinen mir ein verspäteter Versuch, den berechtigten Forderungen von Eltern nachzukommen. Das ist sicher positiv zu sehen, aber eine innere Überzeugung und die Absicht, eine falsche Schulpolitik zu dürfte kaum dahinter stecken.

    Die Bildungsausgaben in Niedersachsen pro Schüler und Schülerin liegen 2004 inzwischen unter dem Bundesdurchschnitt. Während es 2001 mit 4.500 € noch im Bundesdurchschnitt lag, sind diese Ausgaben seitdem in Niedersachsen praktisch gleich geblieben, im Bundesdurchschnitt dagegen auf 4.700€ gestiegen. Die Folgen einer solchen Politik lassen sich volkswirtschaftlich nicht sinnvoll darstellen. Mehrere ostdeutsche Länder liegen über dem Durchschnitt und haben auch relativ bessere Ergebnisse vorzuweisen.

    Mehr als 30 Prozent der niedersächsischen Jugendlichen weisen eine Verzögerung im Verlauf ihrer Schullaufbahn auf. Eine Folge von verzögerten Einschulungen, Klassenwiederholungen und von Wechseln zwischen den Schulformen sowie fehlender individueller Förderung. Bei den Hauptschulen sind diese Werte erwartungsgemäß besonders hoch. In Niedersachsen ist die immer wieder von der OECD, der UN, dem Deutschen nationalen Bildungsbericht und jüngst von der EU angemahnte besonders starke Kopplung von sozialer Herkunft und Schulleistungen überdurchschnittlich ausgeprägt.

    Alle Kinder und Jugendliche in Niedersachsen müssen gleich gute Bildungschancen erhalten. Ich will ein leistungsförderndes Bildungssystem, das Bildungserfolge für alle Kinder und Jugendliche ermöglicht. Für mich zählt jedes Kind und jeder Jugendliche. Kein Kind soll demotiviert oder zurückgelassen werden. Alle müssen sich ihrer Leistungsfähigkeit bewusst sein. Dabei sollen die Schüler und Schülerinnen das sichere Gefühl haben, dass die Schule sich um sie kümmert und sie unterstützt.

    Politische Schwerpunkte in der Schule

    Ich weise auf diese Faktoren deshalb in dieser Deutlichkeit hin, weil die Schulpolitik in Niedersachsen hier eine enorme Aufgabe vor sich hat. Diese sozialen Nachteile will ich in Niedersachsen aufbrechen, individuelle Förderung an den Schulen des Landes wirklich möglich werden lassen. Das Konzept der individuellen Förderung ist heute unabdingbar. Aber es reicht nicht, diesen Begriff wie ein Schlagwort vor sich her zu tragen. Die Schulen müssen in die Lage versetzt werden, diese individuelle Förderung auch wirklich zu leisten. Erfolgreiche Bildungssysteme zeichnen sich eben durch die Realisierung der individuellen Förderung aus. Dazu gehören die Diagnose und die Feststellung des Lernbedarfs und der Fähigkeiten der Schülers. Individuelle Förderung heißt nicht, jeder Schüler lernt, was er möchte, sondern Förderung und Bewertung im Rahmen von universellen Bildungszielen.

    Kinder mit Migrationshintergrund oder aus problematischen familiären Hintergründen dürfen und müssen es nicht leichter haben. Damit werden ihre Erwartungshorizonte heruntergefahren und den Schülern und Schülerinnen am Ende nicht geholfen. Aber sie sollen mehr Zeit und mehr Unterstützung erhalten, wenn dies erforderlich ist. Es geht darum, Kinder und Jugendliche nicht durch Demotivation vom Lernen abzuhalten, sondern sie durch Begeisterung für das Lernen zu motivieren. Individuelle Förderung muss systematisch im Bildungssystem verankert werden. Individuelle Förderung erfordert ein radikales Umdenken in den Schulen. Lernfortschritte des Einzelnen werden in den Mittelpunkt gestellt. Dabei müssen die Schulen aus meiner Sicht die Verantwortung für den Lernerfolg übernehmen und Rechenschaft auch gegenüber den Eltern ablegen.

    Der Weg zur eigenverantwortlichen Schule ist in Niedersachsen richtig beschritten worden. Es fehlen jedoch die notwendigen Unterstützungssysteme. Dazu gehört auch, dass die Schulen ausreichenden Mittel und Ressourcen erhalten und die Fort- und Weiterbildung der Lehrerinnen ausreichend implementiert und finanziert wird. Der Abbau der Hausaufgabenhilfe, so wie er in Niedersachsen erfolgt ist, ist völlig kontraproduktiv für das Ziel der individuellen Förderung und unterstützt die soziale Selektion. Der Ausbau von Ganztagsschulen in allen Schulformen ist ebenfalls ein wichtiges Ziel, weil Schüler und Schülerinnen mehr Zeit zum vertiefenden Lernen brauchen, soziale Erfahrungen und eine umfassende Förderung auch und gerade im musischen und kulturellen Bereich für alle Kinder und Jugendlichen notwendig ist.

    Veränderungen will ich im Dialog mit den Beteiligten umsetzen. Ich will informieren, transparent agieren, die Menschen mitnehmen und mich für eine bessere Schule in Niedersachsen engagieren. Dabei weiß ich mich unterstützt von vielen engagierten Lehrern und Lehrerinnen sowie Schulleitungen, denen allen das Wohl von Kindern und Jugendlichen am Herzen liegt. Der Aufbruch in eine Schule der Verantwortung und des erfolgreichen Kümmerns erfordert, dass das Umfeld, die Jugendhilfe und die kommunalen Einrichtungen die Schulen und Kindergärten dabei unterstützen. Die Kommunen sind für mich wichtige Partner und verantwortliche Akteure vor Ort, mit denen ich die enge Zusammenarbeit ebenso suchen werde wie mit der Wissenschaft bei der Weiterentwicklung des Bildungssystems in Niedersachsen.

    „Ich glaube, dass die Zeiten kleiner Änderungen endgültig vorbei sind. Wir müssen uns nicht nur trauen, Schule neu zu denken. Wir müssen unsere Gedanken auch umsetzen.“
    Ranga Yogeshwar.