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    18. März 2009

    Landesregierung muss gesamtschulfeindliche Politik endlich beenden

    Rede von Renate Hendricks im Plenum am 18.3.2009 zum Antrag der SPD: Landesregierung muss gesamtschulfeindliche Politik endlich beenden Zum Antrag...
    - Es gilt das gesprochene Wort -
    Anrede, vier Jahre Schikane der Landesregierung gegen die Gesamtschule haben die Attraktivität dieser Schulform nicht geschmälert, im Gegenteil: Landesweit suchen 25 Prozent aller Viertklässler einen Platz an einer Gesamtschule. Die Eltern stimmen mit den Füßen für die Gesamtschule und gegen die Bildungspolitik der Landesregierung ab. Eltern wollen mehr integrative Konzepte, sie wollen einen rhythmisierten Ganztag und sie wollen eine offen gehaltene Schullaufbahn für ihre Kinder über die Grundschule hinaus. Derzeit ist ein neuer Trend auszumachen. Immer mehr Schülerinnen und Schüler mit einer "gymnasialen Eignung" werden an den Gesamtschulen angemeldet, die mit 13 Jahren bis zum Abitur attraktiver sind als die Gymnasien. Sie haben diese Entwicklung mit Ihrer unausgegorenen Schulzeitverkürzung selber verursacht. Auf die verstärkte Nachfrage nach Gesamtschulplätzen für gymnasial geeignete Kinder reagiert das MSW mit Abwiegelung. Dabei werden die tatsächlichen Übergangszahlen zu den weiterführenden Schulen passend geredet. Ich bin gespannt, wann Sie neben anderen Hindernissen für die Gesamtschulen auch diese zum 8-jährigen Abitur zwingen werden. Ihre Parteifreunde in Niedersachsen sind ja schon vorausgegangen, und Sie folgen in der Regel nach. In Ihrem Eifer, die Gesamtschulen zu attackieren, verstrickt sich die Regierung gelegentlich in heuchlerische Widersprüche: So wird in vorgeschobener Sorge um die Leistungsfähigkeit der Gesamtschulen mindestens ein Drittel an gymnasial geeigneten Schülern gefordert. Zugleich beklagt die Ministerin in einer Pressemeldung des MSW vom 27.2.2009, dass die Gesamtschulen zuviel Gymnasiasten aufnähmen. Ich zitiere: "Aktuelle Medienberichte zeigen, dass dieser Grundsatz (gemeint ist die Heterogenität) an einigen Gesamtschulen verletzt wird. Es ist nicht zulässig, wenn sich einzelne Gesamtschulen ihre Schülerschaft handverlesen aussuchen und Kinder mit Hauptschul-Empfehlung so gut wie keine Chance haben, aufgenommen zu werden", so Frau Sommer. Und die CDU-Landtagsfraktion setzt noch einen drauf mit der aberwitzigen Behauptung, dass die Gesamtschulen Schülerinnen und Schüler mit einer Hauptschulempfehlung diskriminieren. In der gleichen Presseerklärung erklärt die Ministerin zynisch: "Es gibt keine Vorzugsbehandlung für irgendeine Schulform – auch nicht für die Gesamtschule." Gemeint ist der Ganztag für neue Gesamtschulen. Die Verweigerung des Ganztags ist eine perfide pädagogische Schikane. Sie konterkariert Ihre eigenen Aussagen zur individuellen Förderung und macht deutlich, dass Sie genau umgekehrt handeln wie reden. Hören Sie endlich auf die Gesamtschulen und damit die vielen engagierten Lehrerinnen und Lehrer zu diffamieren. Akzeptieren Sie endlich den Willen der Eltern in diesem Land anstatt ihn massiv zu bekämpfen. Sie torpedieren die Neugründung von Gesamtschulen, selbst wenn Sie dabei gegen geltendes Recht verstoßen. In Bonn fehlten zur Gründung der vierten Gesamtschule angeblich 8 gymnasiale Kinder. 38 statt 30 hätten es aus Ihrer Sicht sein müssen. 121 Schüler wurden ausgewählt. Mit einer leistungsmäßigen Zusammensetzung, die aus der Sicht des Schulleiters die Einrichtung einer Gesamtschule rechtfertigte. Die Bezirksregierung Köln und die Landesregierung sahen es anders. Keine vierte Gesamtschule für Bonn, da die "Leistungsheterogenität nicht gegeben" war. Diese Meinung hatte vor Gericht keinen Bestand. Für die Bedingung, dass ein Drittel der Kinder eine Gymnasialempfehlung vorweisen müsse, gäbe es keine Rechtsgrundlage. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Köln ist eine erneute massive Blamage für die Landesregierung. Das Urteil relativiert zudem die Grundschulgutachten als allein maßgeblich für die Beurteilung der Aufnahme von Kindern und räumt den Schulleitern einen Ermessensspielraum für die konkrete Umsetzung der Leistungsheterogenität ein. Was sich, meine Damen und Herren, mit unserer Auffassung der Rolle von Schulleitern deckt, nicht aber mit Ihrer. In zahlreichen Kommunen in NRW gibt es derzeit Initiativen für die Gründung neuer Gesamtschulen. 25 Prozent aller Viertklässler hätten gerne einen Platz an einer Gesamtschule. Nur 16 Prozent können berücksichtig werden. Trotz alledem unterlässt diese Landesregierung die Angriffe auf die Gesamtschulen nicht, sondern kündigt die Fortsetzung ihrer gesamtschulfeindlichen Politik an. So soll es landeseinheitliche Vorgaben für die Beurteilung der Leistungsheterogenität bei der Neugründung von Gesamtschulen geben. Die fehlende Rechtsgrundlage wird also nachgeliefert. Ein Anteil von Kindern mit Gymnasialempfehlung von 30 Prozent, mit Realschulempfehlung von 30 Prozent und mit Hauptschulempfehlung von 40 Prozent soll zugrunde gelegt werden. An Peinlichkeit nicht zu übertreffen ist der Versuch, die diese Regelung mit einem Kabinettsbeschluss aus dem Jahr 1969 zu belegen. Für wie dumm halten Sie eigentlich die Menschen in diesem Land? Statt dem bestehenden Bedarf gerecht zu werden, vergeuden Sie jedes Jahr die Bildungspotentiale von Kindern, insbesondere von Kindern mit Zuwanderungsgeschichte und aus sozial benachteiligten Familien. Auf diese Potentiale kann unsere Gesellschaft nicht verzichten. Das Schulsystem in NRW ist leistungsfeindlich, ungerecht und setzt die falschen Anreize, indem es unnötig Druck aufbaut, Schulangst auslöst, demotiviert und Kinder abschiebt. Viele Eltern wollen eine Änderung für die Lernbiografie ihrer Kinder. Längeres gemeinsames Lernen wird von mindestens 40 Prozent der Bevölkerung in NRW gewünscht. Ihre Bildungspolitik gründet in der längst überwundenen bürgerlichen Ständegesellschaft und ist bar aller bildungspolitischen Erkenntnisse. Sie haben nun bereits vier Jahre unter Beweis gestellt, dass Sie keine zukunftsfähige Schule zustande bringen. Jedes Jahr verursachen sie neue Schulkämpfe in NRW und verwehren den Eltern, Kinder auf die Schulform ihrer Wahl zu schicken. Wissen Sie eigentlich, was der Kampf um einen Gesamtschulplatz für die einzelnen Eltern, Kinder und Familien bedeutet? Zugleich halten Sie die Kommunen von einer pragmatischen, sach- und zukunftsorientierten Politik ab. Stattdessen verlassen Sie sich auf Leerformeln wie "Individuelle Förderung" und Gütesiegel aller Art und hoffen, dass die Bevölkerung dieses Theater nicht durchschaut. Die nordrhein-westfälischen Kommunen haben in den vergangenen Monaten deutlich gemacht, dass sie Verantwortung in der Bildungspolitik übernehmen wollen. Vor Ort geht dies häufig ohne Streit zwischen den Fraktionen. Selbst Schulträger mit CDU-Mehrheit fordern Gesamtschulen. Aber Sie hindern die verantwortlich handelnden Kommunen an der Weiterentwicklung ihrer Schullandschaft. Ihre Politik können Sie nicht einmal den eigenen Leuten vor Ort vermitteln, geschweige denn den übrigen Bürgern in NRW. Werden Sie endlich vernünftig:
    • Entsprechen Sie dem Elternwillen nach mehr Gesamtschulplätzen,
    • Unterstützen Sie die Gründungen von neuen Gesamtschulen,
    • führen Sie die gestrichene Schulleitungsentlastung an Gesamtschulen wieder ein,
    • und lassen Sie bei Neugründungen wieder die Ganztagsform zu, so wie es ihre eigenen Leute vor Ort fordern, etwa der OB-Kanditat der CDU in Bonn.