Landesregierung verspielt Zukunftsmarkt Recycling- und Abfallwirtschaft
Antrag
der Fraktion der SPD
Landesregierung verspielt Zukunftsmarkt Recycling- und Abfallwirtschaft
I. NRW muss Potenzial der Kreislaufwirtschaft entwickeln und stärken Kreislaufwirtschaft schafft Wachstum und Beschäftigung
Die nordrhein-westfälische Wirtschaft hat im Bereich Entsorgungswirtschaft besondere Stärken.
Eine vielschichtige Struktur aus kommunalen und privaten Unternehmen hat bislang dafür gesorgt, dass aus NRW immer wieder entscheidende Impulse zur Weiterentwicklung der Entsorgungstechnologien und der Kreislaufwirtschaftsmärkte kamen. Eine breit gefächerte Forschungslandschaft stärkt die Entsorgungswirtschaft.
Im Bereich der Abfalltechnik hat Deutschland am Weltmarkt einen Anteil von rund 25 Prozent. Davon fiel allein auf die nordrhein-westfälische Recycling- und Abfallwirtschaft wiederum rund 30 Prozent. Der Bundesumweltminister hat durch verschiedene Initiativen deutlich gemacht, wie bedeutend dieser Wirtschaftszweig ist und über welche Potenziale er verfügt:
- In Deutschland werden rund 50 Mrd. € pro Jahr umgesetzt.
- Allein für Anlagen der Abfall- und Recyclingwirtschaft wird der Weltmarkt auf 30 Mrd. € geschätzt.
- Bis 2020 wird dieser Markt um mehr als die Hälfte auf 46 Mrd. € wachsen. Deutsche Unternehmen halten heute einen Weltmarktanteil von 25 Prozent.
- Unternehmen im Teilmarkt der Emissionsreduktion sind die Spitzenreiter bei Rendite, Wachstum, Forschung und Umsatz.
- Besondere Wachstumschancen verspricht der Markt für automatische Stofftrennungsanlagen, der Expertenschätzungen zufolge in den kommenden Jahren um 15 Prozent jährlich wachsen wird.
- Die Anhebung der Umweltstandards bietet den Unternehmen große Wachstumschancen vor allem in den osteuropäischen EU-Mitgliedsländern.
Diese Marktpotenziale müssen für NRW genutzt werden. Die Landesregierung muss aktiv dazu beitragen, um die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der NRW-Unternehmen sowie der Forschungseinrichtungen aus der Branche zu steigern.
Abfallwirtschaft ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge
Menschen und Unternehmen erwarten von der Daseinsvorsorge ein breites Spektrum an Leistungen von hoher Qualität zu erschwinglichen Preisen. Im Bereich der Hausmüllentsorgung übernehmen die Kommunen diese Dienstleistungen. Sie haben gezeigt, dass am Gemeinwohl orientierte Dienstleistungen für jeden Menschen zur Verfügung stehen und diese auch flächendeckend erbracht werden.
Effektive Strukturen in der Daseinsvorsorge haben auch dazu geführt, dass die öffentlichen Unternehmen immer wieder die wesentlichen Treiber bei der Entwicklung von neuen Technologien in der Entsorgungswirtschaft sind. Dies gilt für die Weiterentwicklung umweltfreundlicher Technologien, die Einführung von Sortieranlagen, die Investitionen für Müllverbrennungsanlagen oder die Umsetzung moderner Elemente des Arbeitsschutzes. Die kommunale Kreislaufwirtschaft hat so dafür gesorgt, dass ihre Leistungen bezahlbar bleiben. Die Landesregierung gefährdet mit ihrer rigiden Politik des Privat vor Staat das Miteinander von kommunalen und privaten Unternehmen. Die für einen Wettbewerb notwendige Vielzahl und Vielfalt von Unternehmen wird durch die Politik der Landesregierung untergraben.
II. Landesregierung ohne Konzept für die Kreislaufwirtschaft
Über mehr als drei Jahrzehnte kamen wesentliche Gesetzesinitiativen auf Bundesebene aus dem Land NRW. Zurzeit verliert das Land NRW diese Vorreiterrolle. Die schwarz-gelbe Landesregierung verspielt derzeit die prinzipiell positive Ausgangslage und die damit verbundenen Entwicklungsperspektiven. Eine wichtige Säule des Industriestandortes NRW wird dadurch geschwächt. Dies geschieht entweder durch bewusste Untätigkeit oder durch massive Eingriffe in Verwaltung und Märkte.
- Verschärfung des Gemeindewirtschaftsrechtes
Die neue Gemeindeordnung verhindert nun eine Kooperation über die kommunale Grenze hinweg. Investitionen mit höheren ökologischen Ansprüchen bleiben nun aus. Die Entwicklungschancen und Wettbewerbschancen der kommunalen Entsorgungswirtschaft sinken, der notwendige Wettbewerb bleibt aus und die bestehenden Oligopole gewinnen stärker an Einfluss.
- Abfallwirtschaftsplan
Der Abfallwirtschaftsplan muss wieder regionalen Bezug bekommen und rechtsverbindlich aufgestellt werden. Dieser muss eine konkrete Zuweisung von Abfallströmen enthalten, um Planungssicherheit für den Mittelstand und die Kommunalunternehmen zu erreichen. Fehlt dies Signal bleiben Investitionen sowohl des Mittelstandes als auch der Kommunalunternehmen in Erneuerung, Modernisierung und Neubau aus.
- Mindestlohn in der Entsorgungswirtschaft
Die Landesregierung weigert sich, sich zum Mindestlohn in der Entsorgungswirtschaft zu bekennen. Dies ist umso verwunderlicher, da sowohl die kommunalen als auch die Mehrzahl der privaten Entsorgungsunternehmen sich für einen Mindestlohn im Rahmen der Beratungen des Entsendegesetzes ausgesprochen haben. Die Verweigerungshaltung führt dazu, dass weiterhin der Wettbewerb durch Löhne bestimmt wird, die unter dem Existenzminimum liegen.
- Wertstoffsammlung
Die Kommunen haben über Jahrzehnte vielerorts eine funktionierende Sammlung von Wertstoffen installiert. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger haben so dafür gesorgt, dass Deutschland beim Recycling weltweit führend ist. Für viele Bürger ist Abfalltrennung ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz. Aufgrund der aktuell hohen Altpapierpreise drängen zunehmend private Entsorger in diesen Entsorgungsbereich. Die kommunalen Spitzenverbände sehen dies mit Sorge, da gewerbliche Sammlung nur dort angeboten wird, wo die Wertstofferfassung eine ausreichende Rendite erwarten lässt. Private Entsorger übernehmen keinerlei Garantie für eine dauerhafte Struktur, bei fallenden Marktpreisen werden die Sammlungen wieder eingestellt. Die Landesregierung muss ein deutliches Zeichen setzen, dass die kommunalen Entsorgungsstrukturen gestärkt und nicht gefährdet werden.
- Vereinheitlichung des Abfallrechtes in der Bundesrepublik
Der Landesregierung müsste seit dem Inkrafttreten der 'Technische Anleitung Siedlungsabfall', spätestens aber mit der Vorlage der Abfallbilanzen 2005, 2006 und 2007 bekann sein, dass mehr als 3 Mio. t/a Gewerbeabfall in anderen Bundesländern verwertet werden. Dies geschieht unter niedrigerem technologischem und ökologischem Standard. Diese Wettbewerbsverzerrung wird von der Landesregierung stillschweigend hingenommen. Eine dringend notwendige Bundesratsinitiative zur Vereinheitlichung des Abfallrechtes mit dem Berg- und Deponierecht ist bislang nicht erkennbar.
III. Fairer Wettbewerb in der Kreislaufwirtschaft stärkt Beschäftigung und Ökologie
Ein dynamischer Markt beruht auf Wettbewerb, an dem eine möglichst große Anzahl von Unternehmen teilnehmen. Voraussetzung ist weiterhin, dass dies zu gleichen Wettbewerbsbedingungen geschieht. Die SPD unterstützt ein faires Nebeneinander von privatwirtschaftlicher und öffentlicher wirtschaftlicher Betätigung. Die Erfahrungen in der Kreislaufwirtschaft zeigen, dass dies sowohl die wirtschaftliche Entwicklung als auch den Umweltschutz gestärkt hat.
Eine umweltgerechte und bürgernahe Abfallwirtschaftspolitik ist ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. Dazu bedarf es stabiler und gesicherter Strukturen der Daseinsvorsorge, die zwangsläufig eine effektive und effiziente kommunale Kreislauf- und Abfallwirtschaft zur Basis hat. Diese sichert langfristig die notwendige Entsorgungssicherheit und steht in NRW für eine effiziente Arbeitsweise unter betriebswirtschaftlichen Vorgaben.
Der Kreislaufwirtschaft kommt eine zentrale Bedeutung bei der Lösung der Zukunftsfragen zu. Durch ihren Beitrag zur effektiven Ressourcenschonung trägt sie zur Sicherung der ökonomischen Basis unserer Gesellschaft bei. Die Abfallwirtschaft hat in den letzten Jahren einen maßgeblichen Beitrag zur Reduzierung der klimaschädlichen Treibhausgase, durch die Einführung moderner Abfallbehandlungstechniken, Schließung von Deponien in NRW und der energetischen Nutzung von Abfällen als Substitut für fossile Energieträger geleistet. Zukünftig muss verstärkt das brachliegende Potenzial des Abfalls als Rohstofflieferant nachhaltig genutzt werden und die energetische Nutzung mittels der Kraft-Wärme-Kopplung ausgebaut werden.
Durch die Kreislaufwirtschaft können Ressourcen, Klima und Gesundheit geschont werden. Dies setzt voraus, dass wir Abfälle noch stärker vermeiden, verwerten oder umweltgerecht entsorgen. Durch Recycling spart allein die deutsche Volkswirtschaft Rohstoffimporte von rund 3,7 Mrd. € pro Jahr. Kreislaufwirtschaft senkt die Material- und Energiekosten.
IV. Beschluss
Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
1. eine Initiative für einen Mindestlohn und dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse in der Kreislaufwirtschaft und den nahe stehenden Branchen zu starten;
2. ein Konzept zu entwickeln, dass die Nutzung der internationalen Marktpotenziale der Recycling- und Abfallwirtschaft zum Ziel hat;
3. endlich die Aufstellung eines rechtsverbindlichen Abfallwirtschaftsplans für den Teilbereich Siedlungsabfälle vorzulegen.
Hannelore Kraft
Carina Gödecke
Norbert Römer
Rainer Schmeltzer
Svenja Schulze
Thomas Eiskirch
Stephan Gatter
und Fraktion