Suchen

 
     

    25. November 2008

    Die Versprechen des Finanzministers - eine Geschichte ohne Happy End

    Antrag der Fraktion der SPD Die Versprechen des Finanzministers - eine Geschichte ohne Happy End Mit großen Zielen und Ankündigungen hat Dr. Helmut Linssen im Frühsommer des Jahres 2005 sein neues Amt als Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen angetreten. Ein "Neuanfang, der dem Land dauerhaft Wohlstand und Sicherheit bringen wird" und "Landeshaushalte in den nächsten Jahren, die durch Ehrlichkeit, Transparenz und Sparsamkeit gekennzeichnet sein werden", zählten zu den Versprechen des neuen Finanzministers. Sogar von einer "nachhaltigen Haushaltskonsolidierung" war bei der Einbringung des 2. Nachtragshaushaltes am 26. Oktober 2005 die Rede. Nach der Vorlage der Ergänzungsvorlage zum Entwurf des Landeshaushaltes für das Jahr 2009 ist es jetzt an der Zeit, die Haushalts- und Finanzpolitik der Landesregierung auf ihre Seriosität und Nachhaltigkeit zu überprüfen. Mit einem klassischen Fehlstart begann die Haushaltspolitik des selbsternannten "ehrlichen" Kaufmanns Helmut Linssen. Sein erster Haushalt, nur wenige Wochen nach Amtsantritt 2005 eingebracht, war verfassungswidrig: Das Verfassungsgericht in Münster hat der schwarz-gelben Regierung bescheinigt, dass sie die Verschuldungsgrenze gegenüber den Investitionen um knapp 1,43 Mrd. € überschritten hat, ohne die Vorgaben der Landesverfassung zu beachten. CDU und FDP haben sich bewusst bei der Aufstellung des 2. Nachtragshaushaltes über die Verfassung unseres Landes hinweggesetzt. Die Landesregierung hat bei der Aufstellung ihres ersten Haushaltes nicht gespart, sondern jede Mehrausgabe über zusätzliche Schulden finanziert. Beispielsweise das Einstellen von 96 zusätzlichen Vertrauten in Stabsstellen der Ministerien. Das wichtige Versprechen "Sparsamkeit" war schon wenige Monate nach der Machtübernahme vergessen. Das schwarz-gelbe Kabinett hat die Regierungsgeschäfte zu einem Zeitpunkt übernommen, in dem endlich wieder steigende Steuereinnahmen zu verzeichnen waren. So stiegen die Steuermehreinnahmen seit dem Jahr 2005 bis Ende dieses Jahres, einschließlich des 3. Nachtragshaushaltes, um 7,65 Mrd. Euro. Trotzdem stieg gleichzeitig der Schuldenberg des Landes seit der Landtagswahl 2005 von 106,8 Mrd. Euro (siehe Plenarprotokoll vom 26. Oktober 2005) auf fast 121,8 Mrd. Euro Ende 2009. Finanzminister Linssen wird dann in weniger als einer Legislaturperiode 15 Mrd. Euro neue Schulden gemacht haben. Eine nachhaltige Haushaltskonsolidierung sieht gerade in Zeiten günstiger Rahmenbedingungen anders aus. Versprochen – gebrochen lautet das Motto dieser Landesregierung. Im Jahr 2006 verkündete Landesfinanzminister Dr. Linssen noch vollmundig, "dass das Kabinett und die Fraktionen beschlossen haben, alle zusätzlichen Steuereinnahmen zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung zu verwenden", nachzulesen in einer Pressemitteilung des Finanzministeriums vom 30. Oktober 2006. Die Realität sieht allerdings anders aus: Vom Regierungswechsel bis zum Haushaltsjahr 2009 wird die Landesregierung 7,65 Milliarden Euro mehr Steuern eingenommen und davon im Saldo gerade einmal 2,25 Milliarden Euro in den Abbau der Neuverschuldung gesteckt haben. Das sind exakt 29,41 Prozent. Versprochen – gebrochen. Auch beim Thema "Sparen" liegen Anspruch und Wirklichkeit des Finanzministers weit auseinander. Im Koalitionsvertrag von CDU und FDP vom 20. Juni 2005 wird eine "nachhaltige Rückführung des ungebremsten Ausgabenanstiegs" angekündigt. Das Volumen der Landeshaushalte seit der Übernahme der Amtsgeschäfte durch CDU und FDP im Frühsommer 2005 stieg um über 5,43 Mrd. auf 52,7 Mrd. €. Eine sparsame Haushaltspolitik sieht anders aus. Versprochen - gebrochen. Auch zum Grundsatz der „Haushaltswahrheit und -klarheit“ scheinen Landesregierung und Finanzminister ein gebrochenes Verhältnis zu haben. So kritisierte Dr. Linssen am 26. Oktober 2005 vor dem nordrhein-westfälischen Landtag rot-grüne "Sparstrümpfe" und "Schattenhaushalte", die es künftig nicht mehr geben werde. Mit dem 3. Nachtragshaushaltes für das Jahr 2008 sollen nach dem Willen des Finanzministers jetzt aber Steuermehreinnahmen und steuerbedingte Haushaltsverbesserungen in Höhe von 615 Mio. € in den Fonds zur Risikoabschirmung zugunsten der WestLB und in einen neu zu errichtenden Abrechnungsfonds fließen, der für eine mögliche Beteiligung des Landes an den Lasten des Finanzmarktstabilisierungsfonds des Bundes gebildet werden soll. Das könnte auf den ersten Blick für weitsichtige und vorsorgende Haushaltspolitik gehalten werden, denn die Abrechnung dieses Finanzmarktstabilisierungsfonds wird erst im Haushaltsjahr 2010 erfolgen; am 22. Oktober ging der Finanzminister in der Unterrichtung der Landesregierung zur Lage der Wirtschaft und der Finanzmärkte sogar davon aus, dass dieser Fonds erst 2012 oder 2013 Auswirkungen auf den Landeshalt haben wird. Allerdings wäre dieser Ansatz nur glaubhaft, wenn auch in den kommenden Jahren kontinuierlich weiter Gelder in diesen Fonds eingezahlt würden. Tatsächlich sind im Haushaltsentwurf 2009 keine weiteren finanziellen Zuführungen vorgesehen, auch in der aktuellen Ergänzungsvorlage nicht. Damit wird deutlich, warum es in Wirklichkeit geht: Die Landesregierung legt hier in "Schattenhaushalten" und "Luftbuchungen" offenkundig finanzielle Mittel für Geschenke in Wahlkampfzeiten zurück. Transparenz sieht anders aus. Versprochen - gebrochen. Die Landesregierung ist im Jahr 2005 angetreten, das Land bis 2010 wirtschaftlich auf Augenhöhe mit den großen Vorbildern Bayern und Baden-Württemberg zu führen. Heute ist klar, dass die Finanzkraft Nordrhein-Westfalens - trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs seit 2005 - in den vergangenen Jahren drastisch gesunken ist. Unter den SPDMinisterpräsidenten Johannes Rau, Wolfgang Clement und Peer Steinbrück war NRW seit 1994 Geberland im Länderfinanzausgleich. Unter CDU-Ministerpräsident Dr. Rüttgers ist NRW zum Nehmerland abgestiegen, das auf Zahlungen reicher Länder wie Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg angewiesen ist. Unter der CDU/FDP-Regierung ist es nicht gelungen, die Spitzenposition im Kreis der fünf starken Bundesländer zu halten. Versprochen - gebrochen. In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU und FDP vereinbart, den Finanzplatz NRW zu stärken und die WestLB AG bei ihrer Neuausrichtung zu unterstützen. Dieses Ziel scheint vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion zur Zukunft der Landesbanken in Deutschland völlig aus den Augen verloren worden zu sein. So ist die Zukunft der Westdeutschen Landesbank, der wichtigsten Landesbeteiligung, ungewisser denn je. Die WestLB ist zum Spielball von Spekulationen geworden. Gestern Fusion mit der Bayerischen Landesbank, heute Fusionsgespräche mit der Deka-Bank und morgen vielleicht doch wieder Verhandlungen mit der hessisch-thüringischen Helaba? Am 12. August diesen Jahres verkündete der Ministerpräsident laut Süddeutscher Zeitung, dass er "die Sparkassenverbände bei der Partnersuche für die angeschlagene WestLB am Zuge sehe". Im gleichen Artikel verkündet Finanzminister Dr. Helmut Linssen, dass "der Finanzplatz Düsseldorf künftig nicht mehr die Rolle spielen (wird), die er früher hatte". Nicht nur aus Finanzkreisen ist Kritik am Kurs der Landesregierung zu hören: Die Financial Times Deutschland vom 28. August 2008 bemängelte, dass der Ministerpräsidenten Fusionsgespräche mit der LBBW nicht aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt habe, sondern wegen seiner Rivalität mit seinem baden-württembergischen Amtskollegen. Auch die EU-Kommission hat kritisiert, dass das Land sich bei dieser Entscheidung "hinsichtlich der vorgeschlagenen Fusion nicht wie ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber verhalten" habe. Eine aktive und führende Rolle der Landesregierung bei der Konsolidierung des deutschen Landesbankensektors sieht anders aus. Versprochen – gebrochen. Der Landtag beschließt:
    • 1. Die Landesregierung hat ihre Ziele aus dem Koalitionsvertrag vom 20. Juni 2005 nicht annähernd erreicht. Die einschließlich des 2. Nachtragshaushaltes 2005 vorgelegten Haushaltspläne für die Jahre 2006, 2007, 2008 und 2009 zeichnen sich nicht durch Ehrlichkeit, Transparenz und Sparsamkeit aus. Die Landesregierung wird aufgefordert, zu einer verfassungsgemäßen Haushaltsführung zurückzukehren.
    • 2. Die Landesregierung wird aufgefordert, einen detaillierten Plan aufzulegen und dem Landtag vorzustellen, in dem deutlich wird, wann ein ausgeglichener Landeshaushalt vorgelegt wird und Schulden wieder abgebaut werden können.
    • 3. Die Landesregierung wird aufgefordert, endlich eine aktive Rolle bei der Konsolidierung des deutschen Landesbankensektors einzunehmen und ein Konzept für die Zukunft der WestLB vorzustellen, in dem deutlich wird, wie die Bank in diesem Prozess aufzustellen ist.
    Hannelore Kraft Carina Goedecke Gisela Walsken und Fraktion