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Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion der FDP und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Landespolitik

Nordrhein-Westfalen unterstützt das Anliegen der Global Marshall Plan-Initiative, die Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen bis zum Jahr 2015 durchzusetzen

I. Der Landtag stellt fest:

In Anlehnung an den Erfolg des amerikanischen Marshall-Planes für die Bundesrepublik Deutschland und den europäischen Kontinent nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verfolgt die Global Marshall Plan-Initiative wie auch viele andere Initiativen die Durchsetzung der weltweit vereinbarten Millenniumsziele der Vereinten Nationen. 189 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten mit der Millenniumserklärung am 8. September 2000 einen Katalog grundsätzlicher, verpflichtender Zielsetzungen für alle UN-Mitgliedstaaten. Zur Umsetzung der Millenniumserklärung wurde eine Liste mit internationalen Entwicklungszielen erarbeitet. Die acht Ziele der Liste wurden bekannt als Millenniumsentwicklungsziele oder Millennium Development Goals. Alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben ihr Bemühen zugesichert, die folgenden Ziele bis zum Jahr 2015 zu erreichen:

• Die Zahl der Menschen, die von weniger als einem US-Dollar pro Tag leben, sowie die Zahl der Menschen, die unter Hunger leiden, soll um die Hälfte gesenkt werden (Basisjahr 1990);
• Gewährleistung der Grundschulbildung für alle Kinder;
• auf allen Ausbildungsstufen soll bis zum Jahr 2015 jede unterschiedliche Behandlung der Geschlechter beseitigt werden;
• die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren soll um zwei Drittel gesenkt werden (Basisjahr 1990);
• die Müttersterblichkeit soll um drei Viertel gesenkt werden (Basisjahr 1990);
• die Ausbreitung von HIV/Aids, Malaria und anderen schweren Krankheiten soll gestoppt und eingedämmt werden;
• Sicherung der ökologischen Nachhaltigkeit;
• Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft.

Der Landtag bekennt sich zu den Verpflichtungen, die die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Millennium Development Goals der Vereinten Nationen (MDG) eingegangen ist. Ziel einer nachhaltigen Entwicklungspolitik ist es, die Ursachen von Armut zu bekämpfen und den Menschen ein Leben in Würde und Freiheit zu ermöglichen. Grundlage hierfür sind die Freiheit des Einzelnen, die Einhaltung der Menschenrechte, äußere und innere Sicherheit, eine funktionierende soziale Marktwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Nur Länder, die ihre Politik an diesen Grundsätzen ausrichten, haben eine Chance, die Armutsursachen nachhaltig zu beseitigen. In diesen Gesamtkontext sind auch der Aufbau von Entwicklungspartnerschaften mit den Entwicklungsländern und die entwicklungsverträgliche Ausrichtung des politischen und wirtschaftlichen Handelns einzubeziehen.

II. Der Landtag beschließt:

Der Landtag unterstützt die Global Marshall Plan-Initiative in den folgenden Grundsätzen, die entscheidend dazu beitragen können, die Chancen der Globalisierung für die weltweite Verbreitung von Freiheit, Menschenrechten, sozialer Marktwirtschaft und Demokratie zu nutzen:

1. Gute Regierungsführung - Good Governance - durch Demokratie und Rechtsstaatlichkeit muss im Mittelpunkt aller Entwicklungsbemühungen stehen, damit geleistete Hilfe auch bei den betroffenen Menschen ankommt. Entwicklungszusammenarbeit an gute Regierungsführung zu binden ist Ausdruck der globalen Verantwortung der Weltgemeinschaft.

2. Entwicklungspolitik muss einen Schwerpunkt auf die schwächsten und ärmsten Länder legen. Afrika wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt und muss wieder ein regionaler Schwerpunkt werden. Dabei müssen sich alle Maßnahmen an der Eigenverantwortung der afrikanischen Länder und Institutionen ausrichten und gezielt zur Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen eingesetzt werden. Die Afrikanische Union gilt es, bei der institutionell vereinbarten gegenseitigen Beobachtung und Bewertung der Regierungsführung durch ihre Mitgliedsländer („Peer Review Mechanism“) nachdrücklich zu unterstützen.

3. Die Bekämpfung der großen Epidemien, insbesondere von HIV/Aids, ist von herausragender Bedeutung.

4. Eine nachhaltige Entwicklung erfordert die Stärkung von Frauenrechten. Hierzu müssen vielfach traditionell gewachsene Barrieren überwunden und der Zugang zu den Produktionsmitteln erleichtert werden. Besondere Bedeutung kommt der Bildung von Frauen zu, sie ist wegen ihrer mittelbaren Folgewirkungen (bessere Umwelt- und Gesundheitsbedingungen in der Familie, höherer Bildungsstand der Kinder) die wichtigste Einzelinvestition in den Entwicklungsländern.

5. Armut und Bildungsarmut hängen untrennbar zusammen. Der Aufbau eines für alle zugänglichen Grundbildungswesens ebenso wie die weiterführende und berufsbezogene Bildung sind Grundbestandteile des Entwicklungsprozesses und Voraussetzung für den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit, sozialer Marktwirtschaft sowie eines funktionierenden demokratischen Systems. Kinderarbeit statt Bildung ist deshalb weltweit zu ächten. Nordrhein-Westfalen beteiligt sich an der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung. Der Zugang zur weiterführenden Bildung muss für Männer und Frauen diskriminierungsfrei möglich sein. Der Landtag setzt sich dafür ein, dass das Recht auf Bildung - wie es in den internationalen Kinderrechten festgeschrieben ist - insbesondere für unterprivilegierte Kinder und Jugendliche aus Entwicklungsländern eingelöst wird.

6. Verantwortungsloser Raubbau an natürlichen Ressourcen, Umweltverschmutzung sowie Armut und soziale Spannungen gilt es, gezielt zu bekämpfen. Unter ökologisch verantwortbaren Rahmenbedingungen müssen die Kräfte des Wettbewerbs auch auf den internationalen Märkten in den Dienst der Nachhaltigkeit gestellt werden. Dabei dürfen keine hemmenden ideologischen Vorgaben gemacht werden. Stattdessen sollten neben der Öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance) und der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen auch marktwirtschaftliche Instrumente genutzt werden - wie sie im Kyoto-Protokoll vorgesehen sind.

7. Landwirtschaft und Kleingewerbe sind Grundbausteine der Hunger- und Armutsbekämpfung und Voraussetzung für ein breitenwirksames Wachstum armer Länder. Diese Grundbausteine können, beispielsweise durch Mikrofinanz- und Mikroversicherungsprogramme, unterstützt und gefördert werden.

8. Der Landtag setzt sich für eine enge Verzahnung von Entwicklungs- und Sicherheitspolitik ein. Entwicklungspolitik sollte ein besonderes Augenmerk auf aktuelle und potentielle Krisenregionen richten und dabei gezielt jene Regierungen und Nicht-Regierungsorganisationen unterstützen, die für Ressourcengerechtigkeit, für Wege der Gewaltfreiheit sowie der religiösen und kulturellen Toleranz und der pragmatischen Zusammenarbeit eintreten. Rechtsstaatlichkeit und Sicherung der Menschenrechte sind nicht möglich ohne eine gut ausgebildete und den Rechten des Einzelnen verpflichtete Justiz und Polizei.

9. Entwicklungspolitik darf nicht isoliert betrieben werden, sondern muss in eine kohärente Außen-, Sicherheits-, Außenwirtschafts-, Bildungs-, Rechts-, Agrar-, Energie- und Umweltpolitik eingebettet werden. Der Landtag setzt sich in diesem Zusammenhang dafür ein, dass Entwicklungszusammenarbeit nicht ausschließlich eine humanitäre Verpflichtung bleibt, sondern auch im Sinne einer solidarischen Außenwirtschaftspolitik vorangetrieben wird, die den Menschen in den Ländern des Nordens und Südens gleichermaßen nutzt.

10. Die entwicklungspolitische Bildungsarbeit z. B. an Schulen, durch Stipendienprogramme oder durch die Unterstützung ehrenamtlicher Arbeit hat in Nordrhein-Westfalen eine lange Tradition. Die entwicklungspolitische Bildungsarbeit gilt es fortzusetzen und die Ressourcen der Zivilgesellschaft zu mobilisieren. Der Landtag würdigt und begrüßt ausdrücklich, dass sich auch viele Städte und Gemeinden, Unternehmen und engagierte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im Bereich der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit engagieren.

11. Die deutsche staatliche Entwicklungshilfe betrug 2006 0,36 Prozent des Bruttonationaleinkommens und damit rund die Hälfte des langfristig angestrebten Ziels von 0,7 Prozent. Der Landtag steht zu den Millennium Development Goals (MDGs) der Vereinten Nationen, auch wenn die Bundesrepublik Deutschland das Gesamtvolumen ihrer Hilfsleistungen nur schrittweise erhöhen kann. Die Quotendiskussion darf nicht den Blick dafür verstellen, dass nicht allein die staatliche Entwicklungshilfe, sondern vor allem Bildung, Handel und wirtschaftliche Entwicklung die entscheidenden Hebel für Wohlstandsgewinne in der Welt sind. Generell sind Übergänge zu langfristigen Partnerschaften erstrebenswert. Der Landtag begrüßt, dass Nordrhein-Westfalen seine entwicklungspolitischen Bemühungen dahingehend ausgebaut hat.

12. Der Landtag begrüßt, dass die besondere Bedeutung von Migrantinnen und Migranten, insbesondere aus afrikanischen Ländern, in der Entwicklungspolitik des Landes zunehmend berücksichtigt wird.

13. Es gilt, auf einen effizienten Einbezug der Wirtschaft, der kommunalen Dienstleister und der Hochschulen in Nordrhein-Westfalen in die Entwicklungszusammenarbeit hinzuwirken.

14. Der für 2008 geplante neue Beschluss der Ministerpräsidenten zur Entwicklungspolitik sollte eine gestärkte und verbesserte Länderentwicklungszusammenarbeit voranbringen, um auf diese Weise substanzielle Beiträge der Länder zu den Millenniumsentwicklungszielen sicherzustellen.

CDU:
Helmut Stahl
Peter Biesenbach
Ursula Doppmeier
Marie Theres Kastner
Chris Bollenbach
und Fraktion

SPD:
Hannelore Kraft
Carina Gödecke
Britta Altenkamp
Wolfgang Jörg
Renate Hendricks
und Fraktion

FDP:
Dr. Gerhard Papke
Ralf Witzel
Christian Lindner
und Fraktion

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sylvia Löhrmann
Johannes Remmel
Andrea Asch
und Fraktion