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Rede: Gesamtstaatliche Verantwortung für die Bildung

Schule und Bildung

Rede zum Antrag der BÜNDNIS 90 / Die Grünen

Gesamtstaatliche Verantwortung für die Bildung - "Bildungsgipfel" darf kein Kaffeekränzchen werden

Anrede,

Mit dem Bildungsgipfel will die Bundeskanzlerin am 22. Oktober Bund und Länder auf gemeinsame Anstrengungen für eine tragfähige Reform unseres Bildungswesens verpflichten.
Kluge Köpfe sind für ein rohstoffarmes Land wie NRW der Schlüssel zu mehr Innovation, mehr Wachstum und Wohlstand. Bildung und Qualifizierung sind die Voraussetzung für individuelle Lebenschancen und gesellschaftliche Teilhabe.

Deshalb haben wir uns in den vergangenen zwei Jahren mit diesem Thema intensiv in der Enquete-Kommission „Chancen für Kinder“ auseinander gesetzt.
Die Ergebnisse der Kommission werden im kommenden Monat vorgestellt, deshalb will ich hier nicht weiter darauf eingehen.

Klar ist aber: Ein wirkungsvolles Reformpaket ist dringend erforderlich, auch für NRW. Die bisherigen Antworten der Landesregierung reichen von Absichtserklärungen, Symbolpolitik bis hin zu mehr Geld in ein bestehendes ständisches Bildungssystem. Innovation ist leider nicht die Stärke dieser Bildungspolitik.

Grundlage der Politik in NRW ist vielmehr ein Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP, der von restaurativen sowie neoliberalen Ideen geprägt ist. Mehr Geld in ein uneffektives System wird bei allen Lobesgesängen nicht die erforderlichen Reformen bringen.

Insofern kann man gespannt sein, ob es der Kanzlerin gelingt, die richtigen Akzente zu setzen und Denkblockaden zu lösen. Die Aussichten dafür sind allerdings nicht sonderlich viel versprechend.

Seit Jahren mahnen internationale Studien an, mehr Geld und mehr Qualitätsentwicklung ins Bildungssystem zu stecken.
Während Staaten wie Dänemark oder Kanada über sieben Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Bildung investieren, wendet Deutschland nur 5,2 Prozent auf. Dieser Anteil ist seit 1995 sogar noch um 0,2 Prozentpunkte gesunken.
Finanzierung von Bildung darf zudem zukünftig nicht länger als Konsum verstanden werden, sondern ist eine gesellschaftlich erforderliche Investition.

Die Kanzlerin hat deutlich gemacht, dass es eine gesamtstaatliche Aufgabe ist, den Anteil der Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf ein wettbewerbsfähiges Niveau zu steigern.

Deshalb ist es auch richtig, dass die Kommunen anmahnen, dass sie als wesentliche Akteure beim Bildungsgipfel zu beteiligen sind und die Leistungsfähigkeit und die Nutzen der jeweiligen Akteure mit ins Kalkül gezogen werden.
Derzeit erleben wir allzu oft, dass andere die Musik bestellen, die die Kommunen am Ende bezahlen müssen.

Besonders groß sind die Defizite dort, wo über den zukünftigen Bildungserfolg entschieden wird: bei der frühkindlichen Förderung und in der Schule.
Daran ändert auch das KiBiz in NRW nichts. Erforderliche Qualitätsentwicklungen sind mit der Finanzierung und der Anlage des Gesetzes nicht ausreichend möglich. Das erleben die Träger derzeit allzu deutlich.

Auch in NRW müssen der Anteil derjenigen erhöht werden, die die Schule mit einem qualifizierten Abschluss verlassen. Da hilft es nicht, wenn Frau Ministerin Sommer deutlich macht, dass sie die negativen Ergebnisse des Bildungsberichts von Bund und Ländern in Nordrhein-Westfalen nicht gelten lassen will.
Laut Bildungsbericht haben Hauptschüler in Deutschland zunehmend Probleme, eine Lehrstelle zu finden.
Auch 30 Monate nach Schulende konnten 40 Prozent der Hauptschüler nicht in eine Berufsausbildung vermittelt werden. Frau Sommer will solche Sachverhalte nicht zur Kenntnis nehmen. Meine Damen und Herren, so kommen wir nicht weiter.
Vor der Therapie steht immer noch die Diagnose. Wer sich aber der Diagnose verweigert, kann keine erfolgreiche Therapie durchführen.

Zurück zum Bildungsgipfel: Es ist weder sinnvoll noch zukunftsweisend, wenn Fragen der erforderlichen Weiterentwicklung des Bildungssystems bei diesem Gipfel ausgeklammert werden sollen. Ein zukunftsfähiges Bildungssystem in Deutschland muss eine verbesserte Integration und eine deutlich bessere individuelle Förderung ermöglichen.
Das frühe Sortieren und die damit verbundenen Schranken zwischen den Bildungsgängen werden für viele Kinder und Jugendliche zum Verhängnis. Deutschland muss endlich die Tabufrage der Schulstrukturen enttabuisieren. Auch wenn diese Frage nicht alle Probleme löst: Sie betrifft einen entscheidenden Aspekt unseres Bildungswesens. Dabei muss auch eine möglichst weitgehende Integration aller behinderten Kinder und Jugendlichen ins Bildungssystem ermöglicht werden.
Die Behindertenbeauftragte des Bundes beklagt zu Recht, dass diese Frage nicht auf dem Gipfel thematisiert werden soll.

Wegen finanzieller Hürden verzichten immer mehr Abiturienten selbst mit Spitzennoten auf ein Studium.
Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede je nach sozialer Herkunft - selbst in der Gruppe der Einser-Abiturienten.
Die Studienneigung unter jungen Menschen mit Abitur und Fachhochschulreife ist insgesamt gesunken. Besonders auffällig ist der Studienverzicht von jungen Frauen aus einkommensschwachen Elternhäusern.
Es ist zu befürchten, dass NRW die Vereinbarungen des Hochschulpaktes nicht einhält und mehr als 40 Millionen an den Bund rücküberweisen muss.

In der Zwischenzeit sind die Eckpunkte für die von Angela Merkel geforderte Bildungsoffensive bekannt.
Die Länder sollen für mehr Qualität in Kindergärten, Schulen und Hochschulen sorgen. Dafür finanziert der Bund mehr Studienplätze und bezuschusst die Forschung. Ob diese Aufgabenteilung am Ende die Lasten richtig verteilt, ist fraglich.

Es scheint angebracht, die Frage der Finanzierung von Bildung auch unter neuen Gesichtspunkten in der Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommen neu zu überdenken.
Ob der Bildungsgipfel am Ende seinem Namen gerecht wird, muss sich zeigen. So mancher Gipfelstürmer ist am Ende abgestürzt.
Das Thema ist mit Abstand zu kompliziert, um es in fünf Minuten abzuhandeln. Die SPD wird
sich daher zu den Positionen des Bildungsgipfels noch detailliert äußern.