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    12. Oktober 2007

    Jüttners Bildungsfrau hat den Elternblick

    Hannoversche Alggemeine Zeitung

    Der SPD–Herausforderer von Ministerpräsident Christian Wulff hat sein Schattenkabinett komplett.

    Schon wegen ihrer fünf Kinder hat Renate Hendricks diverse Schulen von innen gesehen. Als langjährige Bundeselternratsvorsitzende ist sie auch mit den pädagogischen Diskussionen vertraut. „Diese Frau wird die Debatte bereichern“, sagt SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Jüttner über die 55-jährige Bonnerin, die seit zwei Jahren im Landtag von Nordrhein-Westfalen sitzt. Gestern hat Jüttner Renate Hendricks als achtes und letztes Mitglied seines Schattenkabinetts vorgestellt, das die Ministerriege von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU)ersetzen soll.

    „Offensichtlich ist sogar aus Jüttners Sicht kein einziger niedersächsischer Sozialdemokrat fähig, das Amt des Kultusministers auszuüben“, spottete CDU-Generalsekretär Ulf Thiele über Jüttners Import aus Nordrhein-Westfalen. Tatsächlich ist Hendricks, die erst als Seiteneinsteigerin in die Politik kam, unter Bildungsexperten bundesweit bekannt, vor allem durch ihre langjährige Elternarbeit.

    Dass es ihr nicht an Selbstbewusstsein mangelt, machte die studierte Sozialarbeiterin auch bei ihrer Präsentation in Hannover deutlich. Sie habe sich etliche Schulsysteme angeschaut, in Mexiko, Argentinien, Kanada oder Finnland: Überall sehe man, eine gute Bildungspolitik habe ihren Preis.

    Der CDU warf Jüttners Kandidatin für den Schulbereich vor, mit ihrem Festhalten am streng gegliederten Schulsystem einen „Rückschritt ins 19. Jahrhundert“ angetreten zu haben. Immerhin zollte sie für Kultusminister Bernd Busemanns (CDU) Modell der Selbstständigen Schule Beifall: „Das werden wir weiterentwickeln.“ Das von der Niedersachsen-SPDvorgelegte Konzept der „Gemeinsamen Schule“, in der alle Kinder von Klasse fünf bis zehn gemeinsam unterrichtet werden, kennt sie, aber will es keinesfalls auf Biegen und Brechen durchsetzen. Wichtiger erscheint ihr da der Ausbau von Ganztagsschulen und eine Ausrichtung der Schulen, die viel stärker an den individuellen Lerngeschwindigkeiten der Kinder anknüpfe.

    Hendricks ist die fünfte Seiteneinsteigerin in Jüttners „Niedersachsen-Team“, der nur drei Landtagsfraktionskollegen als Schattenminister benannte. Während die Regierungsfraktionen die Minister-Importe aus anderen Bundesländern als Ausweis der Schwäche der oppositionellen Landtags-SPD betrachten, sieht Jüttner dies als Stärke. Über seine Kultusfrau sagt er: „Die guckt nicht durch die Lehrerbrille, die hat voll den Elternblick.“

    von Michael B. Berger