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    25. Juni 2009

    Rede von Renate Hendricks im Plenum am 25.6.2009 zum Antrag Bündnis 90/ Die Grünen: Kinder in Medienproduktionen besser schützten!
    Zum Antrag

    - Es gilt das gesprochene Wort -

    Anrede,
    Erwachsen auf Probe.
    Nicht die Jugendlichen haben ihre Probe nicht bestanden, sondern RTL, indem der Sender ethische und moralische Grenzen unserer Gesellschaft mit dieser Sendung überschritten hat.

    Mit "Erwachsen auf Probe", wird das Wertegefüge unserer Gesellschaft attackiert und Kinderrechte missachtet. Im Streben um Einschaltquoten hat der Sender das Wohl einzelner Gruppen außer Acht gelassen. Wie RTL mit den Kleinkindern, aber auch mit den Jugendlichen umgegangen ist, ist bedenklich und zu verurteilen.

    Die Reaktionen und Unmutsbekundungen zu dieser Sendung, die aus vielen gesellschaftlichen und politischen Kreisen kommen, machen dies deutlich. Sie zeigen aber auch in erfreulicher Weise, dass es in unserer Gesellschaft einen breit akzeptierten Wertekanon gibt. Mit diesen Werten sollten wir nicht leichtfertig umgehen. Ich danke deshalb meinen Kollegen in allen Fraktionen für ihre ablehnende Haltung zum Format der Sendung.Kinder verdienen den besonderen Schutz unserer Gesellschaft, diese Sendung ist nicht geeignet, dieses Schutzbedürfnis zu fördern.

    Es ist begrüßenswert, wenn die Jugendminister der Länder die Kommission für Jugendmedienschutz mit einem einstimmigen Votum gebeten haben, die Entscheidung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen zur Sendung "Erwachsen auf Probe" zu überprüfen.

    Diese Sendung ist Anlass dafür, dass z. B. das Land Schleswig-Holstein gemeinsam mit anderen Ländern einen Beschlussvorschlag zur Weiterentwicklung des Kinderschutzes eingebracht hat, mit dem Ziel, dass Regelungslücken an den Schnittstellen Jugendhilfe und Gesundheitswesen zukünftig geschlossen werden.

    Umfassender Kinderschutz beginnt mit einer ausreichenden Prävention. Hierzu hat die Landesregierung NRW ein Handlungskonzept für wirksamen Kinderschutz vorgelegt. Andere Länder sind den Weg eines "Kinderschutzgesetzes" gegangen. Insgesamt ist die Gesellschaft in der Zwischenzeit "Gott sei Dank" stärker für einen besseren Kinderschutz sensibilisiert.

    Die Sendung macht leider deutlich, dass wir bisher nicht alle Facetten des erforderlichen Schutzes ausreichend berücksichtigt haben. Auch wenn die Grundlagen für den rechtlichen Schutz von Kindern in Medienproduktionen in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen enthalten sind, erscheint es notwendig, durch einen verbesserten Jugendarbeitsschutz eine Beteiligung von unter dreijährigen Kindern an Sendungen zu verbieten.

    Ausnahmen sollen aus unserer Sicht zukünftig nur noch von den Landesjugendämtern zugelassen werden.

    Das Land NRW hat im Handlungskonzept angekündigt, eine Studie zum Kinderschutz in Auftrag zu geben, um mehr Erkenntnisse über Ursachen, Ausmaß und Handlungsoptionen zum Thema Kinderschutz zu erhalten. Die Frage des Kindeswohls bei der Gestaltung von Medien sollte dabei ebenfalls untersucht werden.

    Im Zusammenhang mit dieser Sendung stellen sich weitere moralische und rechtliche Fragen. Kinder gehören eben nicht ihren Eltern. Sie sind eigenständige Wesen, mit eigenen Rechten. Sie sind keine Objekte, die man handeln oder für Geld zeitweise an einen Sender verleihen kann. Kinder sind originäre Rechtssubjekte, mit eigener Menschenwürde und einem eigenen Recht auf Entfaltung, deren Wohl und Förderung im Vordergrund stehen muss. Dies ist nicht zuletzt in der UN-Kinderrechtskonvention dokumentiert.

    Hätten Kinder in Deutschland einen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch auf bestmögliche Förderung, könnten die Eltern mit ihren Eigeninteressen dieses Recht nicht ohne weiteres ignorieren. Es müsste zu einer Güterabwägung kommen, die zugunsten der Grundrechte des Kindes ausfallen könnten. Dies gilt insbesondere im Bereich der Förderung, die sich nicht mehr an den Lebensumständen der Eltern messen lassen müsste.
    Deswegen erscheint es sinnvoll, das Grundgesetz in diesem Sinne zu verändern und eigenständige Kinderrechte aufzunehmen.

    Die Aufnahme von Kinderrechten ist bereits in der Enquete-Kommission "Chancen für Kinder" des Landtags als Sondervotum formuliert wurden. Leider konnten sich nicht alle Fraktionen zur Unterstützung dieser Forderung durchringen.Es ist an der Zeit, sich endlich geschlossen für Kinderrechte in der Verfassung einzusetzen.

    RTL kommt mit dieser Sendung weder seiner gesellschaftlichen Verantwortung nach, noch kann die Sendung dem Anspruch genügen, Teenager-Schwangerschaften zu reduzieren. Was jedoch erreicht wird: Teenager werden auf eine fast unanständige Art und Weise bloßgestellt.

    Anders als in Großbritannien oder in den nordamerikanischen Ländern ist bei uns der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die vor der Volljährigkeit Eltern werden, nicht besonders groß. Mit dieser Sendung wird allerdings ein Voyeurismus gefördert, der sich an der Unfertigkeit und der misslichen Lage von sozial schwachen Jugendlichen fest macht. Das ist schäbig.

    Kleinkinder wirken in der Sendung wie nervende Monster. Die Bindung zwischen Eltern und Kindern, die tiefen Gefühle, die auch junge Mütter und Väter für ihre Kinder empfinden, werden in dieser Sendung nicht dargestellt. Wie auch, es sind ja gar nicht die eigenen Kinder und offenbar ist gar nicht beabsichtigt, eine positive Einstellung zu Kindern zu erzielen. Gezeigt werden lästige Routinearbeiten, Stress, nächtliche Strapazen, die für sich genommen natürlich nur abschreckend wirken.
    Mit dieser Sendung wird Elternsein in einer Weise reduziert, die mit der Realität nichts zu mehr zu tun hat und die erst recht nicht unserem Gesellschaftsbild entspricht.

    Ob so der angestrebte Realitätsschock erreicht wird, bleibt trotzdem fraglich.

    Wir brauchen Kinder. Wir wollen Kinder. Glückliche, zufriedene wohl behütete und gut geförderte Kinder.
    Kinder zu haben sollte in der Gesellschaft positiv besetzt sein. Kinder verursachen tiefe Empfindungen. Glück und Liebe in einer Intensität, wie man sie sonst im Leben nur selten spürt.

    Eine Gesellschaft muss sich für ihre Kinder verantwortlich zeigen, denn davon hängt die Entwicklung der Gesellschaft ab.

    Die Sendung "Erwachsen auf Probe" reduziert Kinder auf Essen, Saubermachen, Schreien. Sie banalisiert sie, unterstreicht nicht die Einzigartigkeit ihrer Persönlichkeit, vermittelt leichtfertig ein falsches negatives, ja austauschbares Bild von Kleinkindern.

    Diese beschriebenen Effekte der Sendung hätte man mit Puppen ebenso erreichen können. Die stinken, schreien, die gefüttert werden wollen und gewickelt werden müssen. Es gibt bereits Schulen und Jugendeinrichtungen, die mit diesem pädagogischen Ansatz erfolgreich arbeiten.

    Ich komme auf meine eingangs ausgesprochene grundlegende Ablehnung der Sendung zurück.

    Ich würde mir wünschen, dass alle Fraktionen dieses hohen Hauses sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen könnten. Es wäre gut, wenn dieser Antrag nicht dem Zwist der Fraktionen zum Opfer fallen würde, sondern in gemeinsamer Verantwortung zu einer gemeinsamen Willensbekundung für den Schutz und die Rechte von Kindern führen würde. Für die SPD kann ich sagen, dass wir in Sachen Kinderschutz immer an einem Konsens interessiert sind.