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    04. November 2008

    Sofortmaßnahmen für mehr Gerechtigkeit in NRW

    Antrag der Fraktion der SPD Sofortmaßnahmen für mehr Gerechtigkeit in NRW Nordrhein-Westfalen braucht einen grundlegenden Kurswechsel – hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Die Politik der Landesregierung zielt in vielen Punkten in die entgegen gesetzte Richtung. Sie verschärft soziale Konflikte, verhindert mehr Chancengleichheit und baut Beteiligungsrechte ab. Damit gefährdet die Landesregierung den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft. Die Landesregierung und die Koalitionsparteien CDU und FDP sind zu einem solchen Kurswechsel nicht bereit und nicht in der Lage. Soziale Gerechtigkeit ist für sie nur ein Thema für Sonntagsreden, für Forderungen in Richtung Berlin und Brüssel. In der Landespolitik wird vielfach das Gegenteil praktiziert. Mehr soziale Gerechtigkeit für die Menschen in Nordrhein-Westfalen darf jedoch nicht weiter bloß ein Thema für Sonntagsreden bleiben. Konkrete Schritte sind gefordert. Aber mit dem Landeshaushalt 2009 wird erneut deutlich: Die Landesregierung hat keinen Plan für das Land, sie setzt keine echten Schwerpunkte, sie redet nur von sozialer Gerechtigkeit, ohne wirklich etwas dafür zu tun. Umsteuern tut deshalb not. Eine ganze Reihe von Maßnahmen können sofort und ohne größere Auswirkungen auf den Landeshaushalt umgesetzt werden. Als erste Schritte hin zu dem erforderlichen Kurswechsel fordert der Landtag fünf Sofortmaßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit: 1. Anträge von Kommunen zur Einrichtung von Gemeinschaftsschulen werden grundsätzlich genehmigt. 2. Jede Form einer Privatisierung der Sparkassen wird durch Änderung des Sparkassengesetzes ausdrücklich ausgeschlossen. Die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Unternehmen (§ 107 GO) wird aufgehoben. Die Landesregierung muss endlich die Sozialverträglichkeit des Verkaufs der LEG belegen; andernfalls muss er rück abgewickelt werden. 3. Die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst wird in vollem Umfang wieder hergestellt. Nordrhein-Westfalen muss das Land der Mitbestimmung bleiben. 4. Die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und die Tarifautonomie werden gestärkt. Das Tariftreuegesetz wird wieder eingeführt, Mindestlöhne werden garantiert und die Existenz der Arbeitslosenzentren im Land gesichert. 5. Das Land legt ein Sonderprogramm für die sogenannten Kohlerückzugsgebiete auf, um Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu sichern und den Strukturwandel weiter voran zu treiben. Begründung: Zu 1: Mit dem gegenwärtigen Schulsystem ist soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und eine hohe Bildungsbeteiligung nicht zu erreichen. Zudem stellt uns die Wissensgesellschaft von heute vor Herausforderungen, denen wir nicht mit Antworten von gestern begegnen können. Ein weiterer Grund spricht gegen die unveränderte Beibehaltung unserer Schulstruktur: Bedingt durch die demografische Entwicklung werden im nächsten Vierteljahrhundert weitaus weniger Kinder in die Schule kommen als in früheren Jahren. Die Städte und Gemeinden müssen auf diese Entwicklung reagieren können, um eine Verödung der Schullandschaft zu verhindern bzw. um ein wohnortnahes Schulangebot zu sichern. Deshalb ist es dringend erforderlich, in den Kommunen die Einrichtung der Gemeinschaftsschule ermöglichen, die folgenden Prinzipien folgt:
    • Die Gemeinschaftsschule nimmt die Kinder nach der Grundschule auf und ist bis zur Klasse 10 für deren Bildungserfolg verantwortlich.
    • Am Ende der Klasse 10 können alle Schulabschlüsse der Sekundarstufe I erreicht werden.
    • In den Klassen 5 und 6 findet für alle Kinder ein gemeinsamer Unterricht statt.
    • Ab Klasse 7 oder später wird nach gemeinsamer Entscheidung der Schule, des Schulträgers und der Eltern entweder ein vollständig integrierter Unterricht weitergeführt oder eine Differenzierung, beispielsweise in Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialklassen, vorgenommen.
    • Die Gemeinschaftsschule hat eine gemeinsame Schulleitung und ein gemeinsames Kollegium.
    Nach diesen Prinzipien wollten die Gemeinden Horstmar und Schöppingen im vergangenen Jahr eine Gemeinschaftsschule einrichten. Alle Beteiligten vor Ort waren sich parteiübergreifend einig, diesen Weg zu gehen. Ein pädagogisches Konzept wurde erarbeitet und eine Befragung dokumentierte eindrucksvoll, dass die Eltern willens waren, ihre Kinder auf die Gemeinschaftsschule zu schicken. Und dennoch lehnte die Landesregierung den Antrag ab und ermöglichte nur die Bildung einer Verbundschule mit einem Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialzweig. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ab sofort Anträge von Kommunen zur Einrichtung von Gemeinschaftsschulen im Wege eines Schulversuches grundsätzlich zu genehmigen, damit pragmatische, orts- und stadtteilgenaue Lösungen möglich sind. Über die konkrete Ausgestaltung der inneren Organisation dieser neuen Schulen darf nicht zentralistisch in Düsseldorf entschieden werden. Vielmehr müssen darüber die Schulen, die Eltern und der Schulträger gemeinsam entscheiden. Zu 2: a) Die aktuelle weltweite Krise im Bankensektor macht deutlich: Nie waren Sparkassen so wertvoll wie heute. Die Kritiker der öffentlich-rechtlichen Banken sind verstummt. Noch vor wenigen Wochen wurde die Forderung erhoben, Staat und Politik sollten sich aus dem Bankensektor heraushalten, weil Private das viel besser machen würden. Heute ist die Forderung nach staatlicher Hilfe für private Banken selbstverständlich geworden. In dieser Situation kommt es entscheidend auf das Vertrauen der Menschen in die Stabilität unseres Bankenwesens an. Hier zeigt sich: Die Sparkassen genießen ein großes Vertrauen – und das völlig zu Recht. Die Einlagen der Sparerinnen und Sparer sind sicher, die Geschäftspolitik ist der Sparkassen ist solide. Politik darf dieses Vertrauen nicht gefährden. Nicht nur bei den kommunalen Sparkassen, den Verbänden und Beschäftigten wurde durch die Pläne der Landesregierung für ein neues Sparkassengesetz breiter Widerstand hervorgerufen. Auch die Anhörung des Haushalts- und Finanzausschusses zur Novellierung des Sparkassengesetzes hat deutlich gemacht, dass es quer durch alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche massive Kritik am Gesetzentwurf gab. Gemeinsamer Tenor der Stellungnahmen war, dass eine weitere Fortführung des Gesetzgebungsverfahrens vor dem Hintergrund des noch laufenden EU-Beihilfeverfahrens für die WestLB eine Gefahr für unsere kommunalen Sparkassen bedeuten würde und dass die beabsichtigten Änderungen im NRW-Sparkassengesetz einer Privatisierung der Sparkassen Vorschub leisten würden. An diesem breiten Widerstand ist die Landesregierung gescheitert. Die bisherigen Beratungen zum Sparkassengesetz bedeuten eine herbe Niederlage für den Finanzminister. Allerdings beinhalten die Änderungen, die die Koalitionsfraktionen am Regierungsentwurf vornehmen wollen, auch weiterhin die Gefahr einer schleichenden Privatisierung der Sparkassen. Statt mit rechtlich fragwürdigen und offensichtlich nur aus Gründen der politischen Gesichtswahrung weiter aufrecht erhaltenen Formulierungen zum Trägerkapital der Brüsseler EU-Kommission eine Steilvorlage zu liefern, sollte die Landesregierung im Sparkassengesetz jeder Form der Privatisierung der Sparkassen einen Riegel vorschieben. Der Landtag fordert die Landesregierung darum auf, durch eine Änderung des Sparkassengesetzes jede Form einer Privatisierung der Sparkassen ausdrücklich auszuschließen. b) Getreu der Ideologie „Privat vor Staat“ hat die Koalition von CDU und FDP die wirtschaftliche Betätigung der Städte und Gemeinden massiv einschränkt. Kommunale Unternehmen dürfen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben nur noch tätig werden, wenn „ein dringender öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert und der öffentliche Zweck durch private Unternehmen nicht ebenso gut und wirtschaftlich erfüllt werden kann.“ Das bedeutet mittelfristig für viele kommunale Unternehmen das Aus. Neben den Bürgerinnen und Bürger werden auch das Handwerk und andere lokale Unternehmen zu den Verlierern zählen. Die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Unternehmen beeinträchtigt die kommunale Daseinsvorsorge. Die Kommunen haben die Aufgabe, den Bürgerinnen und Bürgern effizient und kostengünstig die notwendigen Dienstleistungen und Güter hoher Qualität anzubieten. Die kommunalen Unternehmen in NRW erweisen sich täglich als wichtige Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger. Sie sichern die Energie- und Wasserversorgung, organisieren den öffentlichen Personennahverkehr, halten preiswerten Wohnraum vor oder entsorgen pünktlich den Abfall. Sie haben eine wichtige Funktion als belebende Elemente im Wettbewerb und sind gerade in den Märkten mit oligopolistischen Strukturen, wie etwa im Energiemarkt, unverzichtbar. Dabei stehen für diese Unternehmen primär das Wohl und die Sicherheit des Bürgers und der Kommune im Mittelpunkt. Sie haben durch die kommunale Steuerung den Vorteil, nicht der Gewinnmaximierung zur Befriedigung von Privatinteressen oder privaten Aktionären zu dienen, sondern sie stehen in der sozialen Verantwortung zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Im Rahmen der Liberalisierung der Märkte in Europa befinden sich viele kommunale Unternehmen schon lange im harten Wettbewerb mit großen privaten und staatlichen Unternehmen aus anderen europäischen Ländern. Kommunale Unternehmen haben inzwischen eine wichtige Funktion im Wettbewerb erlangt und sind gerade in Märkten mit oligopolistischen Strukturen, wie etwa im Energiemarkt, unverzichtbar. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass eine Privatisierung von in öffentlicher Trägerschaft erbrachten Leistungen keineswegs regelmäßig mehr Verbraucherrechte, preisgünstigere Angebote, höheres Qualitätsniveau oder höheren Gemeinwohlnutzen erzeugen. Im Gegenteil, wenn wenige große Unternehmen die Märkte beherrschen, bleiben Angebotsvielfalt und Wahlfreiheit für die Verbraucher meist auf der Strecke. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, unverzüglich eine Novelle des § 107 der Gemeindeordnung vorzulegen, um die Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung kommunaler Unternehmen rückgängig zu machen. c) Im Juni hat die schwarz-gelbe Landesregierung die LEG an Whitehall, einen Immobilienfonds der Goldmann-Sachs Bank, veräußert. Damit hat sie sich für die schlechteste aller Möglichkeiten entschieden. Sie hat nicht an die Kommunen verkauft, sie hat nicht an einen Bestandshalter verkauft, sie hat in Kauf genommen, dass der Innovationsfonds von Minister Pinkwart mit Einnahmen gespeist wird, die auf dem Rücken der vielfach einkommensschwachen Mieter erwirtschaftet werden. Alle Versprechungen, dass der Verkauf keine Belastung der Mieter bedeuten würde, sind nicht zu halten, wie sich schnell gezeigt hat. Bereits heute steht fest, dass sich die Situation für viele Mieter massiv verschlechtert hat. Mieterhöhungen werden flächendeckend bis an die Obergrenze des Mietspiegels realisiert. Instandhaltungskonten wurden gesperrt, das Budget für laufende Instandhaltungen wurde um 20 Prozent gekürzt. In der Folge müssen Mieter erleben, dass kaputte Fenster oder Heizungsventile nicht mehr repariert werden, dass die Kollegen, die in der LEG für die Instandhaltung zuständig sind, ihnen jetzt vielfach nicht mehr helfen können. Das umfassende Modernisierungsprogramm der LEG, das Durchschnittsinvestitionen von 25 Euro je Quadratmeter realisiert hat, wird nicht weitergeführt. Damit wird die Aussage, dass man die LEG verkaufen müsse, um dringend notwendige Modernisierungsmaßnahmen durchführen zu können, ad absurdum geführt. Dazu kommt: Die Sozialcharta schützt die Mieter in keiner Weise. Sie definiert nur Durchschnittswerte. Durchschnittswerte für Mieterhöhungen bedeuten, dass überall dort, wo Mieterhöhungen durchsetzbar sind, diese vollumfänglich realisiert werden können, weil es immer auch Bestände gibt, wo sich diese am Markt oder auch rein gesetzlich nicht mehr realisieren lassen. Durchschnittswerte für Sanierung, Instandhaltung und Modernisierung bedeuten, dass man dort Geld investieren kann, wo man zukünftig die Wohnungen vielleicht sogar verkaufen will (denn Verkäufe sind ja in einem Umfang von 2.300 Wohnungen im Jahr zulässig), und sie dort unterlässt, wo man eine Mieterschaft hat, an der man als Wohnungsunternehmen wenig Interesse hat - weil sie weniger finanzstark ist, weil sie sich nicht wehren wird und weil man vielleicht sowieso froh ist, wenn man nach einer Kündigung durch den Mieter die Wohnung teuer neu vermieten kann. Kündigungen auf dem kalten Wege werden in Zukunft an der Tagesordnung sein. Die Kontrolle der Einhaltung der Sozialcharta, die für den einzelnen Mieter ja sowieso kaum mehr als das gesetzliche Minimum festschreibt, soll lediglich einmal im Jahr durch Auswertung testierter Berichte erfolgen. Eine Clearingstelle beim Land, an die sich auch die Mieter wenden können, wird es nicht geben. Den Mietern bleibt also nur der Weg, sich an die Mieterschützer zu wenden, wenn sie der Meinung sind, dass soziale Standards nicht eingehalten werden, dass vielleicht sogar Gesetze nicht eingehalten werden. Das ist nicht sozial. Das ist nicht gerecht. Das ist Privatisierungspolitik pur zu Lasten der Mieter. Zudem wird diese Politik zu Lasten der Kommunen gehen. Sie werden zukünftig mit höheren Mieten ihrer Hartz IV-Empfänger zu rechnen haben. Sie werden vielfach für ihre transferabhängige Bevölkerung neue, preiswertere Wohnungen suchen müssen. Das wird aber an vielen Standorten mit angespannten Wohnungsmärkten nicht möglich sein. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, ihre Behauptung, dass insbesondere für die Mieterinnen und Mieter keine Verschlechterungen eintreten, endlich zu belegen. Für den Fall, dass ihr das nicht gelingt, muss das Land eine Rückabwicklung des Verkaufs prüfen. Zu 3: a) Ein zentrales Element sozialer Gerechtigkeit ist die Mitbestimmung im Betrieb und am Arbeitsplatz. Sie ermöglicht den Beschäftigten, an den Entscheidungen teilzuhaben, die die eigenen Lebens- und Arbeitsumstände bestimmen. Die Mitbestimmung in Betrieben und Behörden ist ein entscheidender Standortfaktor. Nordrhein-Westfalen steht in der Tradition, das Mitbestimmungsland Nr. 1 zu sein. Die schwarz-gelbe Landesregierung hat im vergangenen Jahr mit der Novelle des Landespersonalvertretungsgesetzes die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst im Land und in den Kommunen entscheidend geschwächt. Das ist eine Blaupause für die Politik im Bund, mit der auch die Mitbestimmung in der Wirtschaft eingeschränkt werden soll. Das in Nordrhein-Westfalen geltende Landespersonalvertretungsgesetz hat sich in dreißig Jahren bewährt. Den 649.117 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes - im Land und in den Kommunen - bietet es Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte. Grundlage des Gesetzes ist das vertrauensvolle Miteinander von Personalvertretung und Dienststellenleitung. Auf "gleicher Augenhöhe" sind die schwierigen Anpassungsprozesse der letzten Jahrzehnte und Jahre in den Verwaltungen des Landes und der Kommunen erfolgreich bewältigt worden. Die Novelle des Landespersonalvertretungsgesetzes hat die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst drastisch eingeschränkt. Beispielsweise gibt es bei Kündigungen nur noch eine eingeschränkte Anhörung, bei Abmahnungen fällt sie gänzlich weg. Es gibt keine Mitbestimmung mehr bei Umsetzungen und Probezeiten und keine Einflussmöglichkeiten mehr für die Personalräte bei Privatisierungsentscheidungen. Diese Veränderungen des Landespersonalvertretungsgesetzes haben das Mitbestimmungsrecht im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen drastisch verschlechtert. Sie beeinträchtigen massiv die Arbeit der Personalvertretungen. Damit werden die Rückschläge für den öffentlichen Dienst fortgesetzt, die sich mit den Stichworten Personaleinsatzmanagement und Beseitigung des Widerspruchsverfahrens in beamtenrechtlichen Angelegenheiten sowie Verschiebung der Besoldungserhöhung um ein halbes Jahr verbinden. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, unverzüglich eine Novelle des Landespersonalvertretungsgesetzes vorzulegen mit dem Ziel, die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst in vollem Umfang wieder herzustellen. b) Statt die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen zu schleifen sollte die Landesregierung bemüht sein, die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes und die Tarifautonomie zu stärken. Auch hier fallen die Sonntagsreden und das konkrete politische Handeln weit auseinander. Die CDU-Landtagsfraktion redet über die Stärkung der Gewerkschaften und fordert einen Bonus für Gewerkschaftsmitglieder bei Tarifabschlüssen. Die FDP-Landtagsfraktion lehnt das vehement ab und will angeblich das Prinzip 'Gleicher Lohn für gleiche Arbeit' verteidigen. Tatsache ist: Die CDU-FDP-Koalition ist mit verantwortlich dafür, dass täglich gegen das Prinzip 'Gleicher Lohn für gleiche Arbeit' verstoßen wird. Durch die Ablehnung von Mindestlöhnen und die Abschaffung des Tariftreuegesetzes trägt sie entscheidend dazu bei, dass in Nordrhein-Westfalen Dumpinglöhne gezahlt werden können. Durch die Weigerung, die Leiharbeit ins Entsendegesetz aufzunehmen, wird sogar in den einzelnen Betrieben eine unterschiedliche Bezahlung für völlig gleiche Arbeit sanktioniert. Die Forderung der CDU-Landtagsfraktion, einen Bonus für Gewerkschafter zu zahlen, bedeutet eine 180-Grad-Wende. Als die IG Metall im Jahr 2004 eine Initiative für die Stärkung der Gewerkschaften und der Tarifautonomie durch Einführung von Bonuszahlungen gestartet hat, wurde sie von der SPD im Landtag und in der Landesregierung unterstützt. Die CDU-Fraktion unter der Führung des heutigen Ministerpräsidenten lehnte diese Vorschläge kategorisch ab. Jetzt kommt es darauf an, die angebliche neue Position zu belegen. Am besten geht das durch eine Bonusregelung für die Mitglieder der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes bei der nächsten Tarifrunde. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, gemeinsam mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes bei der nächsten Tarifrunde Differenzierungsklauseln durchzusetzen, mit denen bestimmte tarifvertraglich ausgehandelte Leistungen den Mitgliedern der Gewerkschaften vorbehalten bleiben. Zu 4: a) Die Koalition hat das Tariftreuegesetz ersatzlos gestrichen. Es verhinderte, dass auf Baustellen mit öffentlichen Bauherren Löhne unter bestehenden Tarifen gezahlt wurden auch von Anbietern von außerhalb Nordrhein-Westfalens und insbesondere aus anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Die Landesregierung behauptet, damit einen Beitrag zur Entbürokratisierung geleistet zu haben. Die Streichung war sozial ungerecht. Kommunen und Kommunalwirtschaft sind und bleiben wichtige Auftraggeber des Handwerks. Zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch als Voraussetzung für fairen Wettbewerb ist ein neues funktionales Tariftreuegesetz erforderlich. Richtig wäre gewesen, das Tariftreuegesetz zu novellieren, um die Anwendung und Kontrolle durch die Behörden zu erleichtern. Falsch war es, das Gesetz zu kippen, weil den Behörden damit ein wichtiges Instrument genommen wurde, um gegen illegale Beschäftigung vorzugehen. Für Sachargumente und eine Novellierung war die Landesregierung jedoch nie zu haben. Die Abschaffung war ideologisch motiviert. Das Thema Tariftreue und die Kontrolle der Einhaltung sozialer Mindeststandards auf Baustellen mit öffentlichen Auftraggebern in Nordrhein-Westfalen sind untrennbar verbunden mit dem Thema Mindestlohn. Für ein europarechtlich abgesichertes neues Tariftreuegesetz ist ein Mindestlohn in den einzelnen Branchen nicht nur wünschenswert, sondern erforderlich. Dringend erforderlich ist die Ausweitung des Entsendegesetzes auf möglichst viele Branchen des Handwerks. Nur so kann das heimische Handwerk vor unfairem Wettbewerb durch Dumping-Konkurrenten geschützt werden. Wer sich für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzt, der muss für Mindestlöhne kämpfen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland und Nordrhein-Westfalen wollen von ihrer Hände Arbeit leben können - ohne auf staatliche Zuschüsse angewiesen zu sein. In Deutschland beziehen jedoch deutlich mehr als eine Million Menschen Zuschüsse aus dem SGB II, obwohl sie einer Beschäftigung nachgehen. Daher ist und bleibt der gesetzliche Mindestlohn unverzichtbar. Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen und die Aufnahme in das Entsendegesetz sind für einzelne Branchen hilfreich. Sie reichen jedoch nicht aus, um Lohndumping in allen Branchen zu verhindern. Es hilft nicht, dass die Tarifparteien Löhne und Gehälter im Niedrigstlohnbereich vereinbaren, die dann durch steuerliche Subventionen aufgestockt werden – darum ist der Kombilohn der falsche Weg. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, unverzüglich den Entwurf eines wirksamen Tariftreuegesetzes für alle Branchen, die öffentliche Aufträge erhalten, vorzulegen. Die Landesregierung muss darüber hinaus im eigenen Zuständigkeitsbereich und über den Bundesrat alle Möglichkeiten ausschöpfen um Mindestlöhne durchzusetzen. b) Die Arbeitslosenzentren und -beratungsstellen in NRW bieten Arbeitslosen, Langzeitarbeitslosen und von Langzeitarbeitslosigkeit bedrohten Personen ein niedrigschwelliges Beratungsangebot, das weit über Leistungen der Arbeitsagenturen, der ARGEn und der Optionskommunen hinausgeht. Arbeitslosenzentren sind eine wichtige unabhängige Anlaufstelle für arbeitslose Menschen. Sie bieten den Betroffenen Hilfestellung aus einer Hand, unabhängig davon, welcher Leistungsträger für sie zuständig ist. Zum 1. Oktober 2008 hat die Landesregierung die gesamten Zuschüsse des Landes für die Arbeitslosenzentren und -beratungsstellen in Nordrhein-Westfalen gestrichen. Die Finanzierung soll jetzt komplett den Trägern und den Kommunen auferlegt werden. Viele Beratungsstellen werden schließen oder ihr Beratungsangebot deutlich kürzen müssen. Das trifft gerade die schwächsten am Arbeitsmarkt, denn meist sind es Langzeitarbeitslose, die sich in den Arbeitslosenzentren beraten lassen. Der Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen fordert die Landesregierung auf, die Finanzierung der Arbeitslosenzentren und -beratungsstellen dauerhaft zu sichern und den bisher geleisteten ESF-Zuschuss auch weiterhin zu gewähren. Zu 5: Am 7. Februar 2007 haben der Bund sowie die Länder Nordrhein-Westfalen und Saarland eine Vereinbarung zu den zukünftigen Beihilfen für die Steinkohlenförderung getroffen. Der Strukturwandel wird in den Revieren durch die kohlepolitischen Beschlüsse beschleunigt. Jetzt gilt es, unabhängig von dem Ergebnis der endgültigen Entscheidung über die Zukunft des deutschen Steinkohlebergbaus im Jahr 2012 die strukturpolitischen Weichen zu stellen, um Strukturbrüche in den Kohlerückzugsgebieten zu vermeiden und die Technologieführerschaft der nordrhein-westfälischen Bergbautechnologie zu sichern. Die Nachfolgenutzung der vom Bergbau zukünftig nicht mehr benötigten Flächen muss schon heute regional geplant werden. Unter Beteiligung der RAG Stiftung, der Standortgemeinden und der Industrie- und Handelskammern muss unverzüglich eine regional abgestimmte Flächenentwicklung realisiert werden. Die derzeitigen Kriterien des Ziel-2-Programms ermöglichen nicht die besonderen Probleme der Kohlerückzugsgebiete zu lösen. Viele betroffene Kommunen fahren einen Nothaushalt und sind nicht in der Lage die notwendigen Anteile an Eigenmitteln aufzubringen. Deshalb müssen für die Kohlerückzugsgebiete besondere Hilfen zur Verfügung gestellt werden. Für den Strukturwandel in den betroffenen Regionen ist ein Sonderprogramm von insgesamt 200 Mio. Euro jährlich erforderlich. Das Sonderprogramm muss sich neben den Kommunen, die Standort von Zechen sind, an die Standortgemeinden der Bergbauzulieferbetriebe richten. Mit dem Sonderprogramm soll ein Ausgleich für die nunmehr wegfallenden Ausbildungs- und Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen fordert die Landesregierung daher auf,
    • für die Revitalisierung der nicht mehr beanspruchten Bergbauflächen ein eigenes Investitionsförderungsprogramm aufzulegen, das sich an den Bedarfen der betroffenen Kommunen und den Kompetenzfeldern (z.B. Logistik) des Ruhrgebietes orientiert;
    • ergänzend zur derzeitigen Ziel-2-Förderung ein Sonderprogramm von 200 Mio. Euro jährlich für die Kommunen vorzusehen, die von der Schließung der Zechen betroffen oder Standort von Bergbauzulieferern sind.
    Hannelore Kraft Carina Gödecke Britta Altenkamp Marc Jan Eumann Ralf Jäger Norbert Römer Ute Schäfer Rainer Schmeltzer Gisela Walsken und Fraktion