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Arbeitsbedingungen am Universitätsklinikum Bonn unzumutbar

Arbeit und Wirtschaft

Die Arbeitsbedingungen am Bonner Universitätsklinikum sind seit längerer Zeit Besorgnis erregend. Überlastungsanzeigen der Beschäftigten belegen, dass dort Höchstarbeitszeiten überschritten werden. Dadurch wird die Gesundheit nicht nur des Personals, sondern auch der Patientinnen und Patienten gefährdet. 48 Stunden am Stück – länger sollen Ärzte nicht arbeiten. Bereitschaftszeiten inklusive. So steht es im Arbeitszeitgesetz. Damit sollen auch Patienten vor Fehlern durch übermüdete Mediziner geschützt werden.

Das neue Arbeitszeitgesetz, das seit 2007 in Kraft ist, schreibt vor, dass zwischen zwei Diensten mindestens 10 Stunden Pause liegen müssen und eine wöchentliche Arbeitszeit von maximal 54 Stunden nicht überschritten werden darf. In der Praxis finden die Prüfer des Landes-Gesundheitsministeriums in 80 Prozent der Fälle teilweise erhebliche Verstöße. Gegen diese Verstöße halfen bislang auch keine Bußgeldverfahren. Gegen das Universitätsklinikum Bonn wurden in der Vergangenheit insgesamt 6 solcher Verstöße geahndet. Verbessert hat sich die Situation nicht.
 
Reinigungspersonal unter Druck
 
Besonders betroffen ist auch das Reinigungspersonal bei der HuW GmbH. Reinigungskräfte erhalten für ihre knochenharte Arbeit einen tariflichen Stundenlohn von 8,15 Euro. Zu leiden hat das Reinigungspersonal und Küchenpersonal unter zu hohen Sollvorgaben. Daher sind als Reinigungskräfte Teilzeitkräfte beliebter. Teilzeitkräfte können in vier Stunden härter arbeiten. Haben sie ihr Soll nicht erfüllt, arbeiten sie einfach länger. Sollunterschreitungen können so unbezahlt ausgeglichen werden.
 
Befristete Arbeitsverträge sind nicht unüblich. Nach Auslaufen kann es passieren, dass unter Reduzierung der Stundenvorgabe bei Beibehaltung des Arbeitspensums eine Verlängerung angeboten wird. So wird der ohnehin niedrige Stundenlohn unterlaufen. Diese Praktiken werden von der Bonner Landtagsabgeordneten Renate Hendricks angeprangert. "Putzen ist zudem Frauensache. Die meisten dieser Frauen sind auf das Geld angewiesen", stellt Hendricks fest. Ein hoher Ausländeranteil sorge dafür, dass manche Kräfte gar nicht wissen, welche Verträge sie unterschreiben. Bei der derzeitigen Arbeitssituation kommt die Angst um den Verlust des Arbeitsplatzes dazu.
 
Nach einem Gespräch mit dem Personalrat wollte Hendricks sich über die Arbeitssituation vor Ort durch eigenes Putzen informieren. "Im September konnte ich unter Anleitung eine Station in der Uniklinik putzen: Toiletten, Duschen (Wände und Tasten), Wannen, Waschbecken, Kacheln, zweimal die Zimmerböden in den Krankenzimmern wischen, Türen säubern , Schwesternzimmer putzen, Stationsflur und Lager putzen, Abfalleimer leeren, Abfall entsorgen, Reparaturnotwendigkeiten anzeigen."
 
Trinken ist bei der Arbeit nicht erlaubt. "Wasserflaschen", so wurde mir gesagt, "darf man nicht mit sich führen. Ich habe geschwitzt wie ein Stier. Schweißgebadet verließ ich die Klinik. Bei der Arbeit traf ich auf Vorgaben, die auch für eine geübte Kraft nicht zu erfüllen sind. Wie mein gründliches Wischen an etlichen Stellen zutage brachte.
 
Wenn einem der Zeitdruck im Nacken sitzt", führt Hendricks aus, "werden die Hygienestandards leicht unterlaufen. Außerdem können sie hinterher nur schwer überprüft werden." Zudem ist es für nicht deutschsprachiges Personal schwer, die Anweisungen und Vorgaben exakt zu verstehen und umzusetzen. Erst recht, wenn eine ausreichende Vorbildung fehlt. Dabei ist das Einhalten der Hygienestandards eine entscheidende Bedingung für die ungefährdete Gesundung der Patienten "Wie, hat die Uni jetzt eine neue Firma, die auch Deutsch sprechendes Personal einstellt?", wurde ich von einem Patienten gefragt.
 
Soziale Marktwirtschaft nur Lippenbekenntnisse?
 
Die vorgeschobenen Ziele der sozialen Marktwirtschaft werden im Rahmen staatlicher Vorgaben für Universitätskliniken unterlaufen. Wirtschaftlichkeit und Privatisierung sind angesagt. Ob die Gebührenfinanzierung des Krankenhauses einerseits und die Finanzierung von Forschung und Lehre andererseits sachbezogen ausgewogen sind, erscheint zweifelhaft.
 
"Bei meinem Putzeinsatz traf mich die lockere Ignoranz der Mediziner, die mein fröhliches "Guten Morgen" nicht erwiderten. Putzkräfte werden ignoriert. Das sagt viel über unsere Gesellschaft und die beschriebenen Verhältnisse aus. Diese Entsolidarisierung und Anonymisierung ist ein Grund, warum Lohndumping und Leistungssoll in der Branche der Gebäudereiniger bis an die Grenze der Sittenwidrigkeit ausgereizt werden können. Dabei läuft nichts, wenn diese scheinbar einfache Arbeit nicht regelmäßig und gut gemacht wird", kommentiert Hendricks.
 
Kündigung des Tarifvertrages – Auflösung der Sondervereinbarung zum 1. Oktober

 
Zu alledem ist zum 1. Oktober 2009 der Tarifvertrag für die Gebäudereiniger ausgelaufen. Und damit auch die Sondervereinbarung für den Mindestlohn. So kann die Uni nun neu eingestellten Kräften den Stundenlohn bis zu 30 Prozent senken. Zukünftig kann sich der Stundenlohn daher bis auf 5,71€ reduzieren. "Das ist eindeutig zu wenig" ärgert sich Hendricks. "Davon kann man nicht leben! Bei diesem Lohn müssen die Menschen staatliche Transferleistungen beantragen. Die Löhne werden so über einen ebenso grotesken wie entwürdigenden Umweg steuersubventioniert."