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Rede: Flexiblen Ganztag unverzüglich ermöglichen

Schule und Bildung

Rede von Renate Hendricks im Plenum am 17.12.2008 zum Antrag der SPD
Flexiblen Ganztag unverzüglich ermöglichen

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

die ersten drei Preisträger des deutschen Schulpreises in diesem Jahr sind nordrhein-westfälische Schulen. Zwei davon sind Ganztagsschulen: die Wartburg-Grundschule aus Münster und die Integrierte Gesamtschule Bonn-Beuel.
Das Gymnasium Schloss Neuhaus hat noch kein Ganztagsprogramm. Alle drei Schulen wurden für ihre besonders innovativen Schulkonzepte ausgezeichnet.

Als Politikerin in Nordrhein-Westfalen und speziell als SPD-Politikerin bin ich erfreut über und stolz auf diesen Erfolg.
Die Grundschule und die Gesamtschule haben bei der Preisverleihung deutlich gemacht, dass sie ihre innovative Entwicklung vor dreißig Jahren in NRW begannen und es in NRW ein Klima gab, das solche Spitzenentwicklungen zugelassen und befördert hat. Kontinuierlich haben die Schulen die bestehenden Möglichkeiten genutzt, Modellprojekte beantragt und realisiert, gemeinsamen Unterricht begonnen, innere Differenzierung praktiziert und damit Schulentwicklung befördert lassen. Schulreform, meine Damen und Herren, kann man nämlich nur beschränkt verordnen; sie benötigt Akzeptanz, Überzeugung und Bereitschaft zur Umsetzung und Unterstützung.
Vorstellungen, Ideen, Konzepte müssen wachsen. Dazu benötigt es intelligente Debatten und Erkenntnisse, die zu gelungener Bildung führen.

Das Erfolgsrezept und der hohe Ausbaustand mit inzwischen rund 2.900 OGS in NRW ergibt sich u. a. anderem aus dieser Debattenkultur und der hohen Flexibilität, die dieses Konzept von Anfang an ausgemachte. Für Lehrer, alle Eltern und Kinder gab es Wahlmöglichkeiten. Prozesse wurden angestoßen und mündeten in Schulentwicklung. Die OGS bräuchte heute ein Nachsteuern. Etliche Grundschulen würden sich gerne zur Ganztagsschule für alle Kinder unter Einbeziehung der Jugendhilfe weiter entwickeln.

Demgegenüber ist festzustellen, dass die Ganztagspläne der Landesregierung für Gymnasien und Realschulen auf ein verhaltenes Echo bei Schulen und Kommunen stoßen. Der Ministerpräsident verkündet " Wir bringen den Ganztag in die Fläche ". Doch weder die Zahl der Anträge, noch die vorgesehene flächendeckende Verteilung konnte bisher realisiert werden.

Im Sommer 2009 sollten 108 Gymnasien und Realschulen an den Start gehen. Tatsächlich sind es nur 92 Schulen, ein Jahr später nur… 68 Schulen. Acht kreisfreie Städte bzw. Kreise, sind gar nicht dabei. Zu wenig, stellt auch die Kollegin Pieper-von Heiden fest und widerspricht damit deutlich ihrer Ministerin.
Wo wir gerade bei Frau Sommer sind. Sie will das Ausbauprogramm evaluieren lassen.
Deshalb gibt es auch keine Kurskorrektur vor 2011. Wie soll der Ausbauprozess eigentlich evaluiert werden, sehr geehrte Frau Ministerin Sommer?
Aufgrund von fehlenden Meldungen soll die Rückmeldefrist der Schulen verlängert werden. Durch weitere Gespräche mit Schulen wollen sie eine zweite Antragsrunde ermöglichen,
weil es noch 58 freie Plätze gibt. Dies gilt auch für diejenigen Kreise oder kreisfreien Städte, die ihr Kontingent eigentlich ausgeschöpft haben. Damit kippen Sie Ihre eigene Vorgabe komplett über Bord, nach der jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt nur maximal vier Mal einen Zuschlag erhalten sollte.
Schon im Mai 2008 hat die SPD-Landtagsfraktion mit einem Entschließungsantrag auf die Nachteile der so genannten Ganztagsoffensive der Landesregierung hingewiesen. Insbesondere erweist sich das Investitionsprogramm als unzureichend und das Programm zur Einführung des gebundenen Ganztags ist zu unflexibel.
Maximal 100.000 Euro pro Schule sind zudem für viele Schulträger für ein Investitionsprogramm nicht ausreichend. Insgesamt ist jedoch die starre Einführung des gebundenen Ganztags mit einem 20-prozentigen Lehrerstellenzuschlag ohne Flexibilisierungsmöglichkeiten ein Hemmschuh für den erfolgreichen Ausbau.

Die Akzeptanz der Ganztagsschule kommt nicht von ungefähr. In die Planung einer Schule zur Ganztagsschule müssen Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Schüler intensiv einbezogen werden. Das braucht Zeit.
Diese Zeit hat den Schulen in NRW gefehlt. Überstürzt, aus der Not geboren ist das Programm eine Reaktion auf das von Ihnen stümperhaft eingeführte Turbo-Abitur.
Diese Schnellschüsse halten viele Pädagogen für kontraproduktiv, wenn sich Lernen in den Schulen verändern soll.

Auch – oder soll ich sagen „selbst“ - die FDP fordert angesichts der schleppenden Ganztagsoffensive mehr Flexibilität bei der Umsetzung des Programms, insbesondere die Möglichkeit, nur für einzelne Klassenzüge ein Ganztagsangebot einzurichten. Ich freue mich schon jetzt auf Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. Was allerdings Ihre Vorschläge bzgl. der Hausaufgabenbetreuung angeht, so sollten Sie lieber für den weitmöglichsten Verzicht der Hausaufgaben plädieren, dann wäre ihre Forderung sogar KMK konform.

Wir begrüßen den kontinuierlichen Ausbau aller Schulen von Halb- auf Ganztagsbetrieb.
Aber die Art und Weise halten wir für falsch. Denn sie berücksichtigen den Zugang zu non-formalen Bildungsangeboten, die für die Entwicklung der Persönlichkeit der Schüler und Schülerinnen bedeutsam nicht in angemessener Weise.

Wir beantragen daher Korrekturen im Hinblick auf die Flexibilisierung von Angeboten in den Schulen in Abstimmung mit den Kommunen zu ermöglichen und Kooperation von Schule mit Anbietern non-formaler Bildung der Jugendhilfe ausreichend zu berücksichtigen.

Dies entspricht auch den Empfehlungen der Enquete-Kommission Chancen für Kinder.

Ich bedanke mich.