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Antwort der Landesregierung: Kopfnoten auf dem Zeugnis der Reife

Schule und Bildung

Wird der Gleichheitsgrundsatz zwischen den Ländern damit verletzt? Koalitionsstreit um Kopfnoten - wie verhält sich das Ministerium

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN
14. Wahlperiode
Drucksache 14/6583
15.04.2008

Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 2380
der Abgeordneten Renate Hendricks SPD
Drucksache 14/6412

Kopfnoten auf dem Zeugnis der Reife – wird der Gleichheitsgrundsatz zwischen den Ländern damit verletzt? Koalitionsstreit um Kopfnoten - wie verhält sich das Ministerium

Wortlaut der Kleinen Anfrage 2390 vom 11. März 2008:

Ab diesem Schuljahr erhalten die Schüler und Schülerinnen in NRW so genannte „Kopfnoten“ auf den Zeugnissen. Das Ministerium begründet die entsprechende Regelung im neuen Schulgesetz (§ 49 Abs. 2) folgendermaßen:

„Soziale Kompetenzen gehören heute neben dem Wissen zu den Grundvoraussetzungen für das erfolgreiche Durchlaufen des Bildungs- und des Berufswegs“.

In Baden-Württemberg, dem Land in Deutschland, das die Kopfnoten stets beibehalten hat, ist geregelt, dass die Abgangs-, Abschluss und Prüfungszeugnisse keine Kopfnoten enthalten.

Auch in Brandenburg, wo seit diesem Schuljahr in den Klassenstufen 1 bis 10 wieder eine ausführliche Bewertung des Arbeits- und Sozialverhaltens erfolgt, hat man bei den Abschlussklassen zumindest die Möglichkeit geschaffen, die Verhaltensnoten getrennt ausgewiesen.

Vorbildhaft ist diesbezüglich die Regelung in Bayern, wo das Schulgesetz ebenfalls vorsieht, dass in das Zeugnis Bemerkungen oder Bewertungen über Anlagen, Mitarbeit sowie Verhalten der Schüler/innen in das Zeugnis aufgenommen werden. In § 26 II 2 der Volksschulordnung heiß es jedoch:

„In den Jahrgangsstufen 8, 9 und 10 darf das Zeugnis keine Formulierung enthalten, die den Übertritt in das Berufsleben erschwert.“ Derartige Aspekte sind in Nordrhein-Westfalen keineswegs berücksichtigt. Ebenso fehlt es an der Möglichkeit, die Kopfnoten und die übrigen Noten getrennt auszuweisen.

Zusätzlich hat die Bayerische Staatregierung nun angekündigt, das Verfahren bei der Vergabe der Kopfnoten insgesamt zu vereinfachen.

Praktiker, Eltern, Schüler und Schülerinnen sowie die Wissenschaft sind sich weitgehend einig, dass die Subjektivität bei den Kopfnoten nicht auszuschließen ist. Dies wird durch Formulierungen im Schulgesetz noch einmal zusätzlich unterstrichen. So heißt es dort: “Die Schulkonferenz […] stellt Grundsätze für eine einheitliche Handhabung auf.” (§ 49 Abs. 2 Nr. 2)

Die Noten auf dem Abschlusszeugnis oder dem Abiturzeugnis, die für jede Bewerbung im zukünftigen Leben relevant sind, sollten dem Anspruch genügen, dass sie
a) keine erzieherischen Absichten verfolgen
b) überregional standarisiert und vergleichbar sind.

Beide Ansprüche werden von den Kopfnoten auf nordrhein-westfälischen Zeugnissen nicht erfüllt.

Stattdessen bestehen in einzelnen Schulen Absprachen, allen Schüler/innen ein „Sehr gut“ oder ein „Gut“ in den Kopfnoten zu geben. Manchmal sind davon dann auch in Einzelfällen Ausnahmen vorgesehen. Andere Gymnasien hingegen benoten über die gesamte Notenskala hinweg. So kommt es zu deutlichen Verwerfungen bei der Beurteilung zwischen den Schulen.

Damit ist der Gleichheitsgrundsatz zwischen den einzelnen Schulen in NRW krass verletzt. Für die Abiturienten aus NRW bestehen zudem gegenüber den Abiturienten aus anderen Bundesländern dadurch Nachteile, dass NRW das einzige Land deutschlandweit ist, das auf den Abiturzeugnissen Kopfnoten ausweist. Damit wird in NRW neuerdings die „besondere Reife“ verliehen.

Die Abiturienten/innen und deren Eltern regen sich zu recht über diese nordrheinwestfälische unsinnige Praxis auf.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung

1. Welche Gründe sprechen für Kopfnoten auf Abiturzeugnissen?

2. Wie schließt die Landesregierung aus, dass Abiturienten aus NRW durch Kopfnoten auf den Abiturzeugnissen keine Nachteile gegenüber Abiturienten aus anderen Bundesländern bei ihren Bewerbungen an Hochschulen bzw. in der Wirtschaft haben?

3. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass Kopfnoten in allen Schulen vergleichbaren landesweiten Standards unterliegen?

4. Wie sind Beschwerden in den Schulen bzw. bei den Bezirksregierungen zu Kopfnoten bisher beschieden worden?

5. Wann hebt die Landesregierung die jetzigen Regelungen zu den Kopfnoten auf?

Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung vom 11. April 2008 namens der Landesregierung:

Zur Frage 1

Die Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten geben Hinweise für den weiteren Berufsweg relevanten Kompetenzen der Abiturientinnen und Abiturienten.

Zur Frage 2

Die Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten weisen zusätzliche Kompetenzen der nordrheinwestfälischen Schülerinnen und Schüler differenziert aus. Daraus entsteht kein Wettbewerbsnachteil.

Zur Frage 3

Umfangreiche Handreichungen für die Lehrerinnen und Lehrer machen die Anforderungsstandards im Arbeits- und Sozialverhalten in allen sechs Beurteilungsbereichen transparent.

Zur Frage 4

Beschwerden werden im Einzelfall geprüft und entschieden. Eine systematische Abfrage ist nicht erfolgt.

Zur Frage 5

Bereits in meiner schriftlichen Beantwortung der mündlichen Anfrage 168 (Plenarprotokoll 14/81, S. 9569) habe ich erläutert, dass wir die Erfahrungen mit der Benotung des Arbeits- und Sozialverhaltens auswerten werden.