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Nationalpark Siebengebirge

Nationalpark wider Willen – warum die Bürger den Nationalpark Siebengebirge nicht wollten

Ein Nationalpark im Siebengebirge – diese im Frühjahr 2007 öffentlich gewordene Idee klang zunächst einmal vielversprechend. Der Begriff "Nationalpark" weckt Assoziationen von unberührter Natur, Erholung und Ursprünglichkeit. Als sich diese wohlklingenden Idealvorstellungen allerdings in Begriffe wie "Prozessschutzzonen“", "Shuttle-Service" und "Wegekonzept" wandelten, verlor die Idee ihre Unschuld und geriet – berechtigterweise - in die Kleinarbeit und Auseinandersetzung zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Politik, Verwaltung und Lobbyinteressen, von den Gipfeln der vermeintlich nationalparkwürdigen sieben Berge in die Mühe der Ebenen und Täler.

Denn ein Nationalpark ist nicht einfach nur ein Erlebnis für die Familie, sondern eine Verwaltungseinheit mit Ge- und Verboten, mit Reglementierungen. Die Landesregierung, die offiziell auf Anregung der Kommunalpolitik die Nationalparkidee aufnahm, sorgte bald für eben jene Rahmendaten, die die Idee konkret, den Gedanken greifbar machen sollten: Auf einem Gebiet von 4.770 ha sollte ein geschütztes Gebiet entstehen, in dem langfristig 75% sog. "Prozessschutzzonen" existieren sollten, also Gebiete, in denen "die Natur Natur" sein könne (siehe Kleine Anfragen Drucksache 14/8063 und 14/8067).

Diese absolute und relative Zahlenvorgabe reichten aus, um Kritik zu provozieren: Die eine richtete sich an die projezierte Zahl von 4.770 ha. Dem Gebiet fehle, so der Biologe Matzke-Hajek die Großräumigkeit, die sich "weder durch Begeisterung noch durch eine Verordnung erzeugen" ließe (siehe Matzke-Hajek: "Das Siebengebirge – für einen Nationalpark viel zu klein") und unterlaufe damit die internationalen Kriterien für die Errichtung eines Nationalparks. Tatsächlich ist laut diesen eine Größe von mindestens 6.000 bis 8.000 ha vorgesehen. Doch nicht nur dieses Kriterium sorgte für Unbehagen in der Fachwelt. Kurz vor dem Jahreswechsel 2008/2009 wurde ein Schreiben der Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz bekannt, Prof. Beate Jessel, bekannt, indem diese vor einem "Etikettenschwindel" warnte: Das Wegenetz sei zu engmaschig, um den Kriterien eines Nationalparks, also einer weitgehend unberührten Natur, gerecht zu werden (siehe Franz, Rüdiger: "Bundesamt warnt vor Etikettenschwindel beim Nationalpark Siebengebirge", in General-Anzeiger Bonn, 20.12.2008).

Genau dies, nämlich eine Verringerung der Wege, befürchteten aber die anliegenden Bürgerinnen und Bürger. Der Wegfall von mindestens 20% der Wege sowie die „von Ortschaften umzingelte“ Lage des Siebengebirges widersprächen einer Ausweisung eines Nationalparks (siehe "Gemeinsame Erklärung rechtsrheinischer Bürgervereine zum Nationalpark Siebengebirge").

Die Landesregierung und die Befürworter des Nationalparks sahen sich so gleichsam "umzingelt": auf der einen Seite Naturschützer, denen die Planungen nicht weit genug gingen, auf der anderen Seite Bürgerinnen und Bürger, die um die Nutzung "ihres" Siebengebirges fürchteten.

Und so verlagerte sie ihre Argumentation auf den Aspekt, der noch immer die schlagenden Argumente bringen konnte: die Finanzen. Ein Nationalpark würde vom Land gefördert werden; denn mit ihm würde die Region gestärkt, "es kämen mehr Gäste", so Umweltminister Eckhard Uhlenberg (Interview: "Vom Abtauchen kann keine Rede sein", in: General-Anzeiger Bonn, 9./10.5.2009). Drei Millionen Euro jährlich sollten in das Siebengebirge fließen und den bisherigen Träger des Naturschutzes, den "Verschönerungsverein Siebengebirge" (VVS) entlasten. Arbeitsplätze entstünden im neu zu gründenden Zweckverband und schließlich würde der Tourismus gestärkt: Ein vom Rhein-Sieg-Kreis in Auftrag gegebener "Masterplan" Tourismus der FH Bad Honnef kam im September 2009 zum Ergebnis, das Siebengebirge befinde sich seit 15 Jahren "in einer Phase der Stagnation". Ohne Neupositionierung würde es "abgehängt" ("Masterplan für das Siebengebirge", in: Kölnische Rundschau, 11.9.2009).

Der hiermit eingeführte Argumentationsstrang aber führte genau zum Gegenteil des erhofften Effekts: Begriffe wie „Ranger“, welche für eine sterile Ordnung sorgen würden oder „Shuttle-Busse“, die zu den wenigen Aussichtspunkten führen sollten, machten die Runde – und eine Situation, in der „schon das Verlassen des befestigten Weges eine Ordnungswidrigkeit [wäre], die mit Geldbuße zu ahnden“ sei (Leserbrief von Dr. Georg Gerten, in: General-Anzeiger Bonn, 14.4.2009) sorgte für Ängste.

Bedenken nahmen dabei in dem Maße zu, in dem auch alte Infrastrukturprojekte wie etwa der Ennertaufstieg, dessen Scheitern Rhein-Sieg-Kreis-Landrat Frihtjof Kühn als „seine größte Niederlage“ bezeichnet hatte, wieder in die Diskussion kamen. Eine von Studierenden der Uni Bonn durchgeführte Studie zeigte: Je häufiger das Siebengebirge besucht wurde und je höher der Informationsgrad bei den Befragten war, desto eher stieg die Ablehnung des Nationalparkprojekts (forsch; Sieben Berge und zwei Seminare, in: forsch 4/2008, S. 37/38). Das Siebengebirge, so die Befürchtung der vielen Anwohnerinnen und Anwohner, verwandele sich durch einen Nationalpark nicht in einen idyllischen Naturraum, sondern in das Gegenteil: ein aus touristischen Gründen erschlossenes, besuchergelenktes Gebiet, das genau das verlieren würde, was es so ansprechend gemacht hatte: einen Raum für individuelle Nutzung und Erholung.

„Bürgerentscheid“ statt „Bürgernationalpark“

Zwar versuchten die Initiatoren der Nationalparkidee die Bürgerinnen und Bürger durch die Formulierung eines „Bürgernationalparks“ ins Boot zu holen, doch antworteten diese auf den „Bürgernationalpark“ mit einem „Bürgerbegehren“. Nachdem ein erstes Bürgerbegehren in Bad Honnef aus formal-juristischen Gründen vom dortigen Stadtrat abgewiesen wurde, nahmen der Sprecher der Initiative, Karl-Heinz Merten sowie seine Mitstreiter einen zweiten Anlauf (siehe „Neues Bürgerbehren gegen Nationalpark“, in: General-Anzeiger Bonn, 19.3.2009, S. 26), der schließlich auch als zulässig erklärt wurde.

Das Datum für diesen Bürgerentscheid wurde auf den 27. September gelegt, den Tag der Bundestagswahl. Der Kampf um den Ausgang dieses Bürgerbegehrens nahm Züge eines Wahlkampfs an, der den um die Frage, wer künftig dieses Land regiert, fast noch übertraf: Die Landesregierung, der Kreis, aber auch private Organisationen wie etwa der BUND entfachten eine immense Werbekampagne und erhöhten die gesamten Ausgaben zur Nationalparkvorbereitung auf 250.000 Euro (Franz: Nationalpark-Vorbereitung kostete 250.000 Euro, in: General-Anzeiger Bonn, 3.12.2009).

Begleitet wurden die Werbemaßnahmen mit Appellen an den Intellekt der Bürgerinnen und Bürger: So gelte laut dem Präsidenten des Bürgervereins Nationalpark Siebengebirge, Waldemar Lewin: „Kopf statt Bauch, Weitsicht statt Kurzsicht: Das trauen wir den Bürgern Bad Honnefs zu.“ (Sülzen: „Das trauen wir den Bad Honnefern zu“, in: General-Anzeiger Bonn, 4./5.7.2009, S. 25). Dass die Bad Honnefer offenbar fürchteten, gerade durch den Dickicht des neu entstehenden Nationalpark-Dschungels die Weitsicht zu verlieren, und sie mit Kopf wie Bauch gegen den Nationalpark waren, machten sie mit ihrem Votum am 27. September deutlich: Mit einer klaren Mehrheit von 61,1 Prozent sprachen sie sich gegen die Errichtung des Nationalparks im Siebengebirge aus.

„Das Nationalparkprojekt ist gescheitert“ erklärte daraufhin der Minister (Umweltminsiterium NRW: Bürgerentscheid in Bad Honnef beendet Nationalpark-Projekt Siebengebirge). Ein über zwei Jahre geplantes Projekt, das dem Siebengebirge den Weg in eine helle Zukunft weisen sollte, war am Votum der Bürgerinnen und Bürger, die das Siebengebirge tagein, tagaus nutzten, gescheitert. Es hatte sich gezeigt: Zwar verfügten die Befürworter des Nationalparkprojekts über viele Ideen und Wegekonzepte, der Weg zum „Bauch“, zum Kopf und zum Herzen der Bürgerinnen und Bürger aber war ihnen verwehrt.

Quellen

- forsch/uk: Sieben Berge und zwei Seminare, in: forsch 4/2008, S. 37/38)(7.12.2009)

- General-Anzeiger Bonn: Neues Bürgerbegehren gegen Nationalpark, 19.3.2009, S. 26,(7.12.2009)

- Gerten, Georg: Leserbrief, in: General-Anzeiger Bonn, 14.4.2009, S. 23
- Hoffmann, Marc: Masterplan für das Siebengebirge, in: Kölnische Rundschau(7.12.2009)

- Interview von Eckhard Uhlenberg (mit Bernd Eyermann), „Von Abtauchen kann keine Rede sein“, in: General-Anzeiger Bonn, 9./10.5.2009, S. 5

- Kleine Anfrage Drucksache 14/8063 (7.12.2009)

- Kleine Anfrage Drucksache 14/8067 (7.12.2009)

- Matzke-Hajek, Günter: Das Siebengebirge – für einen Nationalpark viel zu klein

- Rechtsrheinische Bürgervereine: Gemeinsame Erklärung rechtsrheinischer Bürgervereine zum Nationalpark Siebengebirge (7.12.2009)

- Franz, Rüdiger: Bundesamt warnt vor Etikettenschwindel beim Nationalpark Siebengebirge, in General-Anzeiger Bonn, 20.12.2008, (7.12.2009)

- Franz, Rüdiger: Nationalpark-Vorbereitung kostete 250.000 Euro, in: General-Anzeiger Bonn, 3.12.2009, (7.12.2009)

- Sülzen, Claudia: „Das trauen wir den Bad Honnefern zu“, in: General-Anzeiger Bonn, 4./5.7.2009, S. 25, (7.12.2009)

- Umweltministerium Nordrhein-Westfalen: Pressemitteilung, Bürgerentscheid in Bad Honnef beendet Nationalpark-Projekt Siebengebirge, 28.9.2009, (7.12.2009)

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